Von der Hölle bis zum Himmel: Die Jenseitige Führung des Robert Blum
Band 1
- Kapitel 113 -
Grobians Rede über die Entstellung der Religion durch das Priestertum
Spricht der Grobian weiter: ,,Daß wir Menschen nun aber so unmenschlich dumm sind, besonders in den Dingen der Religion Christi, kann uns kein Gott für übel nehmen! Denn das hohe und niedere Pfaffentum haben mit der lieben Lehre Christi ja doch so gewirtschaftet, daß es am Ende sogar dem letzten Sauhalter auffallen mußte, wie die von Wohlleben strotzenden Diener der hl. Religion den getauften Bekennern der alleinseligmachenden römisch-katholischen Kirche nichts so sehr ans Herz legten als die liebe himmlische Armut, Liebe, Geduld und den unbedingten Gehorsam - vorerst gegenüber der Kirche und ihren göttlichen (oder was?) Dienern, dann aber auch gegen den Staat, sofern dieser die Sache der alleinseligmachenden Kirche begünstigt!
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Bin ich doch selbst oft mit den einfachsten Leutchen darüber zu reden gekommen, die solche Lumpereien ebenso beurteilten und sagten: Die Religion sei nichts anderes, als ein schon in alten Zeiten fein ausgedachtes Mittel, die armen Menschen zu blenden und sie durch höllische und himmlische Vorspiegelungen und glänzende Betrügereien dahin zu verhalten, daß diese dann aus Furcht vor der Hölle oder aus großem Wunsch nach dem Himmel der arbeitsscheuen Priesterkaste die besten Bissen zubringen, selbst aber schlechter leben sollen als der gemeinste Kettenhund - natürlich alles zur ,größeren Ehre Gottes`! Woraus dann deutlichst hervorgehe, daß es entweder nie einen Jesus gegeben habe, oder daß er doch unmöglich Gottes Sohn gewesen sein kann! Denn wenn man die erschaffene Einrichtung der Welt, die unendlich weise ist, betrachtet und daneben die löblichen Grundsätze der alleinseligmachenden römisch-katholischen Religion, wonach man ganz ohne Gedanken alles glauben muß, wenn es auch noch so dumm und widersinnig wäre, und wenn man dazu noch bekennen muß, daß nur die römische Lehre die rein christliche sei - so muß man doch sehen, daß derselbe Gott, der alles so höchst weise erschaffen hat, zur Erweckung des Menschen unmöglich solch eine Lehre gegeben haben kann.
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Sieh, Bruno, so philosophieren ganz einfache Leutchen! Wie sollen dann erst wir Gebildeteren urteilen gegenüber den Dummheiten, Lügen und Betrügereien der römisch-katholischen Kirche? Und in welch einem Ansehen muß da erst der Stifter einer solchen Lehre stehen, die sich wie Wachs oder Gips in alle erdenklichen Mißformen umwandeln läßt?
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Man sagt freilich: Das Papsttum sehe der reinen Christuslehre ebenso ähnlich wie ein schmutziger Stiefel einer mediceischen Venus. Aber das ändert mein Urteil übers Christentum und dessen Stifter nicht. Denn was von Gott ausgeht, das kann keine menschliche Selbstsucht nur im geringsten ändern. Wäre sonach die Lehre Christi göttlich, da müßte es doch mit allen Teufeln hergehen, daß daran die elende Menschheit etwas nach ihrem selbstsüchtigen Belieben zu ändern imstande sein sollte! Sollte es der Gottheit wirklich nur daran gelegen sein, mit der Lehre von der vollsten Freiheit des Willens den Menschen auch die Erlaubnis zu geben, nach ihrem Belieben mit der Lehre Schindluder zu treiben? Dann Freund, adieu Gottheit! Denn dann muß sogar ein Blinder einsehen, daß der Menschheit solch eine Lehre noch viel weniger nützt als gar keine!
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Ich meine aber, vor einer rein göttlichen Lehre sollte doch ein jeder Mensch wie vor einer aufgehenden Sonne die höchste Achtung und Ehrfurcht haben, am allermeisten der Verkündiger solcher einzigen Lehre. So aber eben die Pfaffen die reine Lehre Christi am wenigsten respektieren, sondern sie als ein reines Menschenwerk zu ihren herrsch- und selbstsüchtigsten Zwecken ummodeln? Ja so sie nachgerade nur das schroffste Gegenteil von dem sind, was die ursprüngliche Lehre gebietet - muß da nicht ein jeder hellerdenkende Mensch bei sich zu schließen anfangen: Eine Lehre, die sogar von den Priestern keine Achtung in der Tat genießt, sondern nur durch äußere, nichtssagende Zeremonie betätigt wird, kann nicht göttlich sein! Denn vor rein göttlichen Dingen hat sogar das Vieh eine Achtung, um wieviel mehr der mit Vernunft begabte Mensch.
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Wer kann beim Anblick der aufgehenden Sonne ohne Achtung vor der großen Gottheit dastehen? Wen ergreift der Anblick hoher majestätischer Gebirge nicht? Wer kann ohne Achtung gleichgültig das Meer ansehen? Wessen Brust wird nicht erschüttert beim mächtigen Rollen der Donner? Siehe, das sind göttliche Dinge, vor denen jeder vor Ehrfurcht bebt. Aber das seinsollende Wort Gottes, wie sieht es denn da mit der Göttlichkeit aus? - Wenn es den Pfaffen nichts als eine verkäufliche Pomade ist, was soll es dann uns Laien sein, die wir keine Doktoren der Gottesgelehrtheit sind?
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So der Mensch auf diese Weise notwendig vor solch einer Lehre einen Ekel bekommen muß, ist es dann etwa zu wundern, daß sich hernach ein jeder vernünftige Mensch aus den Bedürfnissen seiner Natur Lebensregeln formt, nach diesen lebt und alles mit Ziel und Maß genießt, was ihm die liebe Gottheit auf dem natürlichsten Wege zum Genuß darstellt.
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Ich habe gegen die Grundsätze der reinen Urlehre Christi nichts einzuwenden; sie sind gut und den Bedürfnissen der Menschheit ganz naturgerecht angepaßt. Aber was nützt das, so man sie, um ein guter Katholik zu sein, nicht anwenden kann und darf. Da die Gottheit doch sonst alles leitet, sollte es ihr nicht auch möglich sein, ihre eigene Lehre vor solchen Verwüstungen zu bewahren? Wo aber ist eine solche Verwahrung ersichtlich? Freund, auf der ganzen Erde mir bekanntermaßen nirgends!
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Wenn die Sache sich aber tatsächlich so verhält, da bitten wir alle dich, zeige uns, wo es dann stecken mag, so die Lehre Christi etwa dennoch göttlich sein sollte, daß sie zuerst gerade von jenen, die ihre Göttlichkeit am tiefsten fühlen sollten, als eine barste Null betrachtet und auf alle erdenkliche Weise mißbraucht wird und darauf natürlich auch bei allen etwas hellersehenden Menschen in Mißkredit kommt.
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Erweise uns die Göttlichkeit der Lehre Christi, dann wollen wir dir aufs Wort glauben, was du uns von den Pflichten sagen wirst, die Gott durch Seine Lehre von den Menschen zu ihrem Besten fordert. Und haben wir je dawider gesündigt, so wollen wir gerne unsere Sünden bereuen und womöglich abbüßen!
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Aber natürlich müßtest du uns auch beweisen, daß der Mensch auch ohne Gesetze sündigen kann. Wir aber hatten als hellerdenkende Menschen aus obigen Gründen notwendig kein, und am wenigsten ein positives, göttliches Gesetz - außer das in unserer Natur, das wir auch stets beachtet haben - und konnten daher auch keines befolgen. Bitte nun, Freund, so du Lust hast zu reden, so rede! Sonst aber laß uns gehen, wohin uns unsere Sinne den geraden Weg weisen werden!"