Gottes Neue Bibel

Jenseits der Schwelle
Sterbeszenen

Fünfte Szene: Eine Modenärrin

6. August 1847
Hier folgt noch ein früher Tod, der einer jungen Modeheldin, die sich bei einem Ball zu sehr dem Tanze hingab, um sich irgend einen jungen und reichen Bräutigam zu ertanzen, sich statt dessen aber nur den frühen Tod ertanzt hat.
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Ein junges, dem Leibe nach überaus gefällig gestaltetes Mädchen von neunzehn Jahren wurde auf einen noblen Gesellschaftsball geladen, welche Einladung sie natürlich mit Einwilligung ihrer Eltern bereitwilligst annahm. Alsogleich wurden die Modekaufläden durchmustert, die zum Glück unter tausend Artikeln doch einen besaßen, der da unserer geladenen Holden anständig war. Nun ging's zum ersten Modeschneider und zwar mit dem Bedeuten, das Kleid nicht nur nach der letzten Pariser oder Londoner, sondern womöglich nach der letzten Madrider oder New Yorker Mode zu verfertigen, damit man auf einem so glänzenden Ball doch mit etwas Außerordentlichem erscheinen könne, um dadurch das größte Aufsehen zu erregen und auch als eine außerordentliche Erscheinung betrachtet zu werden!
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Der Schneider hatte keine kleine Angst ob solchen Auftrags, indem er seine Kundschaft schon kannte, mit wieviel Dutzend Kapricen sie bei solchen Gelegenheiten gesalbt war. Er nahm sich daher kreuzmöglichst zusammen und verfertigte wirklich ein Meisterstück von einem Ballkleid zur vollen Zufriedenheit seiner Kundschaft; denn das Kleid konnte ohne Schnürmieder angezogen werden und ob der vielen feinsten elastischen Bänder aber den Leib dennoch so eng zusammenziehen, daß unsere Heldin um die Leibesmitte dünner war als um ihren runden Hals.
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Dieses New Yorker Modekleid aber war auch so ganz eigentlich die Ursache ihres frühen und nahe plötzlichen Todes; denn da sie auf dem Ball die Königin der Schönheit und Grazie war, so tanzte sie auch mit einem jungen, reichen Affen, der ihr sehr bedeutend in die Augen stach, so wütend viel, daß sie sich dadurch in der zu sehr gepreßten Lunge ein großes Blutgefäß sprengte und ob des dadurch gar starken Blutverlustes in wenigen Minuten eine Leiche war.
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Als sie auf dem Tanzboden zusammenbrach und aus ihrem Rosenmund ein Blutstrom sich ergoß - zum Schauder aller zahlreich eben auch nicht zu locker geschnürten Mädchen und Damen -, da stürzten freilich wohl ihre Eltern, Verwandte und Ärzte herbei, rissen ihr die Kleider vom Leib und begossen sie mit eiskaltem Wasser und gaben ihr Medikamente, die sie aber, als schon vollkommen tot, natürlich nicht mehr einnehmen konnte.
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Alles weinte und klagte laut. Die Eltern und der ritterliche Affe von einem Liebhaber rissen sich aus Verzweiflung die Haare vom Kopfe. Andere fluchten solch einem Geschick, wieder andere bedauerten die Unglückliche. Viele verließen den Tanzsaal und trugen ein Notabene mit nach Hause, aber natürlich um nicht viel besser als die Sperlinge, die ein Schuß vom Dache vertrieb.
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Hier, bei diesem Falle, werden wir in der Geisterwelt eben nicht viel von Belang zu sehen bekommen; aber dessenungeachtet sollt ihr es sehen, wie sich derlei Übersiedlungen in der Geisterwelt ausnehmen.
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Sehet, da liegt unsere Heldin noch zusammengekauert am mit ersichtlichem Blute besudelten Boden, und dort in einiger Ferne erseht ihr einen Engelsgeist mit über Kreuz geschlagenen Armen stehen! Sein Antlitz verrät Trübsinn, d.i. eine Art Wehmut, die ein solcher Schutzgeist bei solchen Fällen der krassesten Narrheit der Menschen empfindet, so er ihnen mit all seiner Sorge nicht zu helfen vermag.
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Was aber wird nun dieser trauernde Engel hier tun? Seht, er naht sich dem auch in der Geisterwelt als Leiche ersichtlichen Mädchen! Nun ist er bei ihr und spricht: ,,O du unsinniges Wesen! Was soll ich nun erwecken bei dir, da alles tot ist an dir, dahin ich nur mein Auge wende?! O Herr, sieh gnädig herab! Hier langt die Kraft nicht aus, die Du mir verliehen; daher strecke Du Deine allmächtige Hand aus und tue mit dieser Törin nach Deinem Wohlgefallen!"
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Nun seht, dort kommt schon ein anderer, ganz feuriger Engel! Nun ist er da, und seht, sein Feuer ergreift die Tote und verzehrt sie im Augenblick zu Asche. (In der Naturwelt kann das nicht bemerkt werden, weil dieser Akt nur den seelischen Leib betrifft.) Nun fängt in der Asche sich etwas zu rühren an. Der Engel betet über diese Asche. Seines Gebetes letzte Worte sind: ,,Herr, Dein Wille geschehe!"
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Darauf verläßt der zweite Engel die sich stets mehr rührende Asche; aber der erste Engel bleibt. Dieses Rühren aber ist nichts anderes als ein neues Zusammenordnen der ganz zerstörten, zerstreuten und höchst zerrütteten Seelenspezifikalpartikel, was nun unmittelbar durch Meine Kraft geschieht. Nun aber wird sich auch sogleich zeigen, wieviel und was von dieser Mädchenseele noch übriggeblieben ist! -
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Seht, nun erhebt sich ein dunkelgraues Wölkchen! Das Wölkchen prägt sich stets mehr aus. - Und nun seht, da haben wir schon eine Gestalt! Ihr könnt sie wohl mit nichts Ähnlichem auf der Erde vergleichen! Der Kopf gleich dem einer Fledermaus, der Leib gleich dem einer Riesenheuschrecke, die Hände wie Gänsefüße, und die Füße gleich denen eines Storches! - Wie gefällt euch diese Mode nun als die Frucht jener weltlichen? - An der Mode aber läge so viel Außerordentliches nicht; aber daß diese Törin, als quasi Selbstmörderin, schwerlich je des Himmels Lichtgefilde betreten wird, das ist etwas anderes! -
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Es werden wohl einige hundert Jahre vergehen, bis diese zur menschlichen Gestalt kommen wird, und das nur auf sehr schmerzliche Art! Nachher aber wird sie im Geisterreiche sein, was die Albinos auf der Erde sind, nämlich lichtscheu. -
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Weiter ist bei dieser nichts mehr zu sehen und zu lernen, darum nächstens ein anderes Exempel.

Fußnoten