Das Grosse Evangelium Johannes: Band 9
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr in Kana
- Kapitel 109 -
Wahre Sabbatheiligung
Da Ich aber solche seine Schwäche wohl kannte, so stellte Ich ihn dadurch auf eine Probe, daß Ich bis zum vollen Aufgange der Sonne samt Meinen Jüngern schlief, was dem Wirte sein Sabbatsgewissen zu beunruhigen anfing.
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Nachdem die Sonne vollends aufgegangen war, erhob Ich Mich samt den Jüngern vom Tische und ging ins Freie, wie auch sonst allerorts zumeist.
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Der Wirt aber kam Mir alsogleich nach, grüßte Mich und auch die Jünger ehrerbietigst und fragte Mich, sagend: ,,O Herr und Meister, was soll nun geschehen? Es ist heute Sabbat! Das Morgenmahl aber ist schon vor dem Aufgange bereitet worden. Wirst Du es wohl auch nun nach dem Aufgange zu Dir nehmen wollen, und soll ich auch den vieren aus Indien am Tage ein Essen darreichen?"
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Sagte Ich: ,,O du Mein lieber Freund, siehe, du bist sonst in allen Stücken ein recht weiser Mann, aber was da betrifft die Feier des Sabbats, da bist du noch gleich den blinden Pharisäern, die da sich nach dem Buchstaben des Gesetzes richten, aber den Geist desselben noch niemals erkannt haben. So du am Sabbat deine Schafe, Ochsen, Kühe, Kälber, Esel und Ziegen gleich wie an einem Werktage fütterst - was doch auch eine knechtliche Arbeit ist -, warum sollen denn die Menschen fasten? Sind denn die Menschen vor Gott minder denn deine Haustiere? Zudem bin Ich ja heute also wie vor Ewigkeiten auch ein Herr des Sabbats, wie eines jeden andern Tages, der, gleich wie der Sabbat, auch ein Tag des Herrn ist. Sollte Ich denn an einem Sabbat nicht tun gleich wie an jedem andern Tage?
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Wer läßt denn die Sonne aufgehen, wer das Gras wachsen, wer die Winde wehen und die Wolken ziehen? Wer treibt das Wasser in den Quellen, Bächen, Flüssen und Strömen, wer bewegt das Meer von einem Ende der Erde bis zum andern? Wer treibt dein Blut in den Adern und das Herz in der Brust - wohl gemerkt - auch am Sabbat?
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So Ich ruhete an einem Sabbat auch nur einen Augenblick, ginge da nicht die ganze Schöpfung zugrunde?
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Siehe, Werke der wahren Nächstenliebe verrichten, heißt bei Mir wahrhaft Gott und den Menschen dienen, - was sicher höher steht, als mit der Trägheit den Sabbat feiern! Verrichte demnach gute Werke auch am Sabbat, und du wirst dadurch den Sabbat Mir, dem Herrn, am wohlgefälligsten feiern!
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Und nun gehen wir wieder in den Speisesaal und nehmen das Morgenmahl zu uns, und dasselbe sollen auch die vier Indojuden tun, die erst übermorgen ihren Sabbat haben!"
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Als der Wirt diese Meine Worte vernommen hatte, sah er auch sogleich die große Torheit der äußerlichen Sabbatfeier ein und ging und ließ das Morgenmahl auf den Tisch bringen, und wir gingen denn auch in den Speisesaal, setzten uns zu Tische und nahmen ganz wohlgemut das Morgenmahl zu uns.
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Es kamen aber auch die vier Indojuden, und Ich behieß sie, an unserem Tische Platz zu nehmen und mit uns das Morgenmahl zu verzehren, was sie denn auch sogleich mit aller Freude taten; denn sie wußten es nicht, daß in Galiläa, wie auch im ganzen Judenlande, an diesem Tage der Sabbat gefeiert wurde.
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Als wir das Morgenmahl zu uns genommen hatten, da ging der Sabbatrufer durch die Straßen des Städtchens Kana und behieß die Menschen, in die Synagoge zu gehen, groß und klein und jung und alt. Hier erschraken die vier, weil sie nun erfahren hatten, daß dieser Tag der wahre, alte Judensabbat sei und sie nach dem Aufgange ein Morgenmahl zu sich genommen hatten.
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Ich aber sagte: ,,Ich bin der Herr auch des Sabbats! So Ich euch das wahrlich zu keiner Sünde rechne, warum sollet ihr dann euer Gewissen belästigen ()?"
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Sagte der Mann: ,,Wir danken Dir, o Herr, für dies Dein unsere Herzen mächtig tröstendes Gnadenwort; denn hätten wir gesündigt nun vor Dir, so hättest Du uns das sicher gesagt und uns zurechtgewiesen. Aber wie ist das vor Dir nun keine Sünde, was nach dem Gesetze Mosis als eine Sünde bezeichnet wurde? Warum hat denn Moses hernach dem Volke solche Gesetze, als von Gott ausgehend, gegeben?"
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Sagte Ich: ,,Du bist sonst ein recht weiser und in der Schrift Mosis wohlerfahrener Mann, den Buchstaben kennst du wohl, und das Wort ist dir nicht fremd; aber der wahre, alles lebendig machende Geist, der im Worte verborgen ist, ist dir noch fremd, gleichwie er allen Juden schon lange vor der Babylonischen Gefangenschaft fremd geworden ist. Darum hältst du dich auch noch an die tote Baumrinde; aber das lebendige Mark im Innern des Baumes ist dir fremd in seiner Wesenheit und Tätigkeit. Wenn du die alte Rinde eines Baumes irgend verletzest, so wird das dem Leben des Baumes keinen irgend nur im geringsten merklichen Schaden bringen; wenn du aber das Mark eines Baumes verletzest, so wird das eine Sünde gegen des Baumes Leben sein, weil der Baum darauf verdorren und also sterben wird.
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Siehe, die Israeliten sind in Ägypten unter den Pharaonen träge und gleich den Tieren gefräßig geworden und haben den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sehr zu vergessen angefangen und hielten schon große Stücke auf die Götzen der Ägypter; nur wenige noch blieben dem einen, wahren Gott getreu, und diese baten Gott, daß Er Sein Volk aus der harten Knechtschaft und gewissenlosesten Tyrannei der Ägypter erretten möchte. Und Gott tat das durch Moses, wie es dir wohlbekannt ist.
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Moses aber hatte dann durch vierzig Jahre in der Wüste mit der täglich sichtbaren Hilfe Jehovas vollauf zu tun, um das entartete Volk durch weise Lehren, wie durch geeignete Gesetze in den Stand zu erheben, in welchem sich ein Mensch nach der Ordnung Gottes befinden soll. Dazu waren denn für ein entartetes Volk auch Gesetze notwendig, die dem Menschen vorschrieben, wann, was, wieviel und wie oft er an einem Tage essen und trinken solle, und wie sich bekleiden und am Leibe reinigen.
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Ebenso ward durch Moses dem zur Trägheit sehr geneigten Volke, das an jedem Tage nichts tun wollte, nur der siebente Tag zur Feier und Ruhe gegeben, an dem es von den Führern über Gott, Seine Ordnung, über Seinen Willen und Seine Führungen belehrt und vor der Widerspenstigkeit gegen die Gesetze auf das ernstlichste gewarnt worden ist.
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So aber ein Mensch sich die Ordnung Gottes zu eigen gemacht hat und in allem, was da gut, wahr und recht ist, aus seinem freien Willen tätig geworden ist, so kann das für ihn ja keine Sünde sein, wenn er als ein völlig gesunder Mensch sich nicht mehr der Arzneien bedient, deren sich ein Kranker zu bedienen hat. Darum wirst auch du als ein gottesfürchtiger und gerechter Mann dich nicht wider die Sabbatfeier versündigen, wenn du allzeit mäßig auch nach dem Aufgange, zu Mittag und auch, so es dich hungert, vor dem Untergange Speise und Trank zu dir nimmst und deinem Nächsten, wie an einem Werktage, Gutes erweisest. Wie Ich tue, so tue auch du, und du wirst recht tun und leben!
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Was gewinnt denn die Sabbatfeier dadurch, so die Juden oft schon bei drei Stunden vor dem Aufgange der Sonne übermäßig sich vollfressen und vollsaufen, derart, daß sie den ganzen Sabbat über kaum gehen und stehen können und nach dem Untergange wieder zu prassen und zu schwelgen anfangen bis zur Mitte der Nacht, daß sie darauf auch am nächsten Werktage zu keiner Arbeit fähig sind? Wisse! Solch eine Sabbatfeierhaltung ist vor Mir wohl ein Greuel; aber den Sabbat so zu halten, wie Ich es dir nun gezeigt habe, ist Mein Wille und daher Mir denn auch sicher wohlgefällig. Darum denke dir allzeit: Der Buchstabe des Gesetzes tötet; nur der innere Geist der Liebe und Wahrheit macht lebendig."
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Als der Mann solches von Mir vernommen hatte, dankte er Mir mit den andern dreien für diese Belehrung, und alle wurden vollends heiteren Mutes.
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Es fragte Mich aber darauf der Wirt, ob er mit den Seinen in die Synagoge gehen solle, oder ob er auch daheim bleiben könne.
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Sagte Ich: ,,Wer ist denn mehr, Ich oder die Synagoge? Laß dein Gesinde hingehen und schicke dem Rabbi ein Opfer, das ihm um vieles lieber ist denn deine Gegenwart, - du aber bleibe daheim; denn es wird bald eine Karawane von Persien hier anlangen und dir viel zu schaffen geben!"
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Sagte der Wirt: ,,O Herr und Meister, diese kommt mir heute als an einem Neumondssabbat sehr ungelegen; denn wir Wirte haben ein strenges Gesetz, auf solch einen Sabbat nicht einmal einen Juden, geschweige erst einen Fremden in die Herberge aufzunehmen!"
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Sagte Ich: ,,Gutes tun auch an einem Sabbat ist recht vor Mir, wie Ich das dir und soeben auch den Indiern gesagt habe, wenn du aber eine eitle Furcht vor dem Obersten der Synagoge hast, so sende durch deinen Oberdiener ein Dispensopfer dem Obersten, und er wird dir die Erlaubnis gern erteilen!"
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Der Wirt tat das, und der Oberdiener brachte ihm sogleich eine Dispenskarte, gültig für drei Sabbate, worüber der Wirt sehr froh war; denn die Karawane brachte ihm den hundertfachen Gewinn von dem, was ihn die Karte gekostet hatte.
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Darauf aber fragte Mich der Wirt, sagend: ,,Herr und Meister! Ist es aber auch recht von seiten des Obersten der Synagoge, mir gegen ein Dispensopfer zur Schändung des Sabbats - was vor ihm als eine übergroße und strafbarste Sünde gilt, zu gestatten, solche mit meinem ganzen Hause zu begehen, und das ohne irgendeine Besorgnis, als hätte ich dafür je eine Strafe zu befürchten?"
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Sagte Ich: ,,Freund, so der Oberste die Sabbatschändung im Ernste für eine Sünde hält nach seinem Gewissen aus seinem Glauben, so fällt die Sünde auf seine Rechnung, da er sie ums Geld von andern begehen läßt; hat er aber keinen Glauben und tut vor dem Volke aber dennoch also, als glaubte er fest und ungezweifelt daran, was er nach der Schrift als eine höchst strafbare Sünde zum Scheine zu halten vorgibt und darüber scharfe Strafpredigten hält, so ist er durch die um Geld gegebene Erlaubnis zur Begehung einer Sünde nicht nur ein so oftmaliger Sabbatschänder, als wie vielen er um Geld die Erlaubnis zur Sabbatschändung erteilt hatte, sondern er begeht dadurch noch die viel größere Sünde der Lüge, der Heuchelei und des Geizes, weil er seinen Glauben seiner Habsucht wegen aufgegeben hat.
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Wer aber, wie du nun, eine Erlaubnis zu der sogenannten Entheiligung des Sabbats erhalten hat, der kann um so getroster am Sabbat gute Werke verrichten, weil also den Sabbat zu feiern eben Mein Wille is t! "
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Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da sagte er alsogleich zu seinen Hausleuten, daß sie nun alles herrichten sollten, was zur Bewirtung einer großen Karawane erforderlich ist.
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Und alles verteilte sich zur Arbeit und mit einem desto größeren Eifer, weil der Vortrab der Karawane bereits vor der Herberge ankam.