Das Grosse Evangelium Johannes: Band 8
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr und Seine Widersacher
- Kapitel 113 -
Der Bericht des Wirtes über die Pharisäer
Endlich kam der Wirt wieder zu uns, erzählte uns mit großem Dankgefühl die wunderbare Heilung der beiden Kranken und sagte zu Mir: ,,Herr! Du bist mehr als ein Mensch meiner Art! Du bist nicht nur ein Heiland, der seinesgleichen in der Welt nicht mehr hat, sondern du bist ein großer Prophet, der uns in dieser Zeit schon höchst not tut; denn wenn es unsere Pharisäer noch lange so forttreiben, wie sie es jetzt machen, so geht aller Glaube an einen Gott unter.
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Ich habe wohl von Reisenden, die hier blieben, schon so manches von einem Propheten gehört, daß er große Zeichen wirke und die Menschen wieder zum wahren Glauben an einen Gott bekehre; aber die Pharisäer sollen ihm sehr feind sein.
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Vor ungefähr etwa einem Jahre oder auch weniger noch soll er auch in Bethlehem und in den umliegenden Ortschaften sein wundersames Wesen getrieben haben, davon ich aber selbst nichts gesehen habe, da ich ob der vielen Sorge und Arbeit zur Aufrechterhaltung dieser meiner großen Herberge beinahe schon gar nirgends hinkomme und Jerusalem schon über zehn Jahre nicht gesehen habe, selbst ins nahe Bethlehem nur sehr selten persönlich komme, - und so weiß ich, was ich weiß, nur so vom flüchtigen Hörensagen.
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Es kommen wohl auch beinahe jede Woche etliche Pharisäer von Bethlehem hierher, aber diese um so etwas zu fragen, wäre eine vergebliche Mühe; denn sie verdammen gleich alles, was sich als etwas Außerordentliches darstellt, und erklären schon das für eine sehr sträfliche Sünde, so man ihnen auch noch so harmlos erzählt, daß man davon nur so von weitem her habe reden hören. Es ist darum unsereinem denn auch nicht zu verargen, daß man sich nahe schon um gar nichts anderes mehr kümmert und sorgt als nur um sein eigenes Hauswesen.
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Nun, so vor einigen Tagen waren in der Nacht wahrlich außerordentliche Dinge am Himmel zu sehen. Man ging da wohl zu den Pharisäern und dachte sich, was Wunder man da alles hören werde, und dachte auch daran, daß der gute, alte Jehova doch endlich wieder einmal ein Zeichen von Sich den Juden gebe. Aber nichts von allem dem! Die Pharisäer unterrichteten das Volk mit ganz heiterer Miene dahin, daß die ganze großartigste Erscheinung, die für uns Juden keinen guten Propheten abgab, ein von den Römern durch die Essäer, die in allerlei Zauberei wohlbewandert seien, bewirkter Volksbetrug sei und sonst nichts zu bedeuten habe, als daß die Römer, denen besonders der hohe und reiche Teil der Juden schon lange nicht besonders gewogen sei, durch derlei Mittel das mehr leicht- und abergläubische Volk betören und gegen ihre jüdischen Oberen aufreizen und dadurch einen allgemeinen Judenaufstand wider die etwas schwach gewordene Obermacht der Heiden verhindern wollten. Mit solcher Erklärung ging man denn wieder ganz gleichgültig und guten Mutes ohne weitere Besorgnisse nach Hause und kümmerte sich um die ganze noch so schrecklich aussehende Erscheinung gar nicht mehr.
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Bald darauf sah man drei Sonnen aufgehen. Man fragte und bekam zur Antwort, das bezeichne Wind und ein bald eintretendes rauhes Wetter. Und man ging wieder ohne weitere Bedenklichkeiten nach Hause.
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So sollen auch vor wenigen Tagen sich in dieser Gegend gewisse Verbreiter einer neuen Lehre, die eben von dem Propheten aus Galiläa ausgehen soll, herumgetrieben und auch Zeichen von außerordentlicher Art gewirkt haben, und es soll sich schon viel Volkes an sie halten. Wieviel daran Wahres ist, weiß ich natürlich kaum; denn zu mir ist niemand gekommen, der nur von weitem einem solchen Neulehreboten gleichgesehen hätte.
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Ich aber fragte erst vor ein paar Tagen einen aus Bethlehem hierher gekommenen Synagogiker, was es mit den gewissen Neulehreboten, die sich in dieser Gegend herumtreiben sollen, für eine Bewandtnis habe, und er sagte mir: ,Ei, derlei müßiges und arbeitsscheues Gesindel treibt sich, seit die Römer unsere Herren sind, ja stets in einer Unzahl herum! Es wird von ihnen geduldet und unterstützt, und wir können dawider wenig oder nichts tun!`
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Ja, gegen solch eine Erklärung konnte man vernünftigermaßen auch wieder nichts einwenden! Denn erstens hat man selbst gar keine näheren Kenntnisse von allem dem, was nun alles im ganzen großen Judenreiche ist und geschieht, und zweitens kann man sich selbst dann, so man von etwas Außerordentlichem auch nähere Kenntnisse hätte, mit den wohlberedten Synagogikern ja in kein Gespräch einlassen, denn man würde einmal mit ihnen nichts ausrichten und dann auch in die Gefahr kommen, von ihnen nach allen Richtungen hin verfolgt zu werden. Und so bleibt man denn lieber so ein stiller Landbürger und kümmert sich weder um eines noch ums andere, obschon man nur zu wohl einsieht, daß die Synagogiker auch nur ihres Bauches wegen das sind, was sie sind, und bei sich noch weniger an einen Gott glauben als einer dieser meiner vielen Obstbäume.
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Und ich sagte darum zuvor, daß es nun schon höchst nötig wäre, so wieder einmal ein wahrer und mächtiger Prophet aufstünde; denn sonst verliert das Volk ehest allen Glauben an einen allein wahren Gott. Du scheinst mir nach deiner Macht und inneren Weisheit ein solcher zu sein, und ich bin dessen nun froh, daß ich in dir nun endlich einmal selbst einen solchen Mann zu Gesichte bekommen habe, der gut ein Elias sein könnte.
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Jetzt glaube ich wieder, daß es in den früheren Zeiten Propheten gegeben hat, die von Gott des blinden und ungläubigen Volkes wegen mit einer besonderen Weisheit und Macht ausgerüstet worden sind. Bisher war solch ein Glaube bei mir in das Reich der frommen Märchen hinabgesunken. Aber wo ich nun selbst gesehen habe, daß dein Wille und Wort zwei Kranke, die jeder sonst noch so bewährte Heiland für unheilbar erklärte, auf einen Schlag derart frisch und gesund gemacht hat, da ist auch mein Glaube an einen Gott und an die Propheten wieder vollkommen hergestellt, - was mir lieber ist, als so mir jemand der halben Welt Schätze geschenkt hätte.
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Aber nun kommt der Hauptmann heraus und wird sicher mit den hohen Römern zu verhandeln haben, und da dürfte ich mich wohl als überflüssig hier dabei befinden, und so wird es Zeit sein, daß ich mich ins Haus begebe!"
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Sagte Ich: ,,Gerade jetzt bist du notwendig dabei! Denn die Römer haben eben deinetwegen mit dem Hauptmanne etwas zu reden. Durch seine Verfügung bist du heute von der vorüberziehenden Kriegerschar zu einem nicht verdienten Schaden gekommen, der dir wird ersetzt werden müssen, und das eben vom Hauptmanne, und darum mußt du als ein benachteiligter Kläger vor den hohen Richtern gegenwärtig sein; denn wo es keinen Kläger gibt, da gibt es auch keinen Richter!"
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Sagte der Wirt: ,,Ja, ja, du machtvoller und weiser Heiland, das wäre schon alles recht; aber der Hauptmann wird nachher auch mein Herr verbleiben! Kommt er nun durch mich zu einem bedeutenden Schaden, so werde ich dann, so ihr von hier fort sein werdet, meine große Not mit ihm haben, - und so möchte ich ihm schon fast lieber alles nachsehen, als mich hintendrein förmlich ans Kreuz binden lassen."
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Sagte Ich: ,,Da sorge du dich nur um etwas anderes; denn es wird dadurch der Hauptmann erst ein Mensch und auch dein wahrer Freund werden! Daß du aber Meinen Worten schon den vollsten Glauben schenken kannst, dafür habe Ich dir schon mehr als einen handgreiflichen Beweis geliefert."
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Sagte der Wirt: ,,Ja, wenn so, da bleibe ich freilich wohl da! Sollen etwa auch mein Weib und meine Kinder und mein einziger nächster Nachbar, der mir zu Hilfe gekommen ist, da meine Dienstleute auf dem Felde Arbeit hatten und nicht zu Hause waren, herzuberufen werden?"
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Sagte Ich: ,,Dessen hat es nicht not, - du allein, als das Haupt des Hauses, genügst!"
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Mit dem begnügte sich denn auch unser Wirt und blieb allein bei uns.