Gottes Neue Bibel

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 7

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr auf dem Ölberg (Fortsetzung)
Ev. Joh. Kap. 8

- Kapitel 87 -

Die Tempelherren pilgern zu Nikodemus

Auf diese Meine Worte erhoben sich wieder alle Anwesenden und zogen mit Mir auf die Anhöhe. Auch die etlichen Sklavenjünglinge zogen mit; ihre andern Gefährten aber blieben beisammen und hatten ihre Freude mit den Schafen, deren Ursprung schon bekannt ist. Als wir uns aber auf der duftigen Anhöhe befanden und uns in guter Ordnung gelagert hatten, da ersahen wir auch, wie auf dem Wege gen Emmaus des Hohen Rates Abgeordnete wandelten und an der gewissen Wundersäule stehenblieben und sie von allen Seiten mit vielem Staunen betrachteten, denn es ging ihnen gar nicht ein, wie solch eine Prachtsäule dahin gekommen sei. Denn zur Herschaffung und Aufstellung einer solchen Säule würden mehrere Monate erforderlich sein, sie aber hätten diesen Weg erst vor wenigen Tagen begangen, und da wäre von dieser Säule noch gar nichts zu sehen gewesen. Da werde ihnen Nikodemus sicher die beste Auskunft zu geben imstande sein, weil die Säule ganz auf seinem Grund und Boden stehe.
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Ich teilte das den Anwesenden mit, und alle wurden recht heiter darüber und sahen voll Aufmerksamkeit, wie sich die Pharisäer und die andern Erzjuden von der Säule gar nicht trennen konnten.
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Hier sagte Agrikola zu Mir: ,,Herr und Meister, da wäre es nun gar nicht schlecht, wenn man nun jene schwarzen und gottlosen Abgeordneten vernehmen könnte, was alles für dumme und sicher mitunter auch böse Urteile sie über die Entstehung und über den Zweck dieser Säule machen.
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Sagte Ich: ,,Mein lieber Freund, daß ihre Urteile überaus dumm sind, das kannst du dir schon auch so - ohne sie zu vernehmen - vorstellen; denn woher sollten diese je ein weises Urteil über irgend etwas Besonderes zu schöpfen imstande sein?
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Wer über etwas ein gutes und wahres Urteil schöpfen will, der muß in sich selbst gut und wahrhaft sein; jene dort aber sind voll alles Bösen und Falschen. Wie soll dann aus ihrem Munde je irgendein gutes Urteil ausgesprochen werden können?! Aber damit du dich dennoch überzeugen kannst, wie ungeheuer blind und dumm jene heuchlerischen Zeloten über jene Säule urteilen, so will Ich dir etliche jener ausgesprochenen Urteile kundgeben. Und so vernimm sie!
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Siehe, einer sagt: diese Säule habe der Teufel aus der Hölle heraufgeschoben; denn sie sei, wenn er sie anfühle, noch ordentlich heiß. - Die Säule ist nun durch die sie bescheinenden Strahlen der Sonne im Ernste ganz tüchtig warm geworden -. Das sei etwa darum geschehen, weil Nikodemus es nicht in allem mit dem Hohen Rat halte. - Sieh, das wäre so ein löbliches Urteil von einem jener Tempelweisen! Mit dem sind einige mit noch manchen gleich dummen Zusätzen ganz einverstanden.
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Aber da ist einer, der Nikodemus ein wenig in Schutz nimmt; der sagt: ,Ich will die Möglichkeit dieser Art der Entstehung dieser Säule gerade nicht in Abrede stellen, will aber auch nicht dieses Urteil als eine schon ausgemachte Wahrheit für ungezweifelt annehmen; denn wenn der Teufel auf jedes Ältesten Grund und Boden, der nun nicht in gar allem mit uns völlig einverstanden ist, wie zum Beispiel Lazarus von Bethanien, eine solche Säule aus der Hölle und Erde herausschieben wollte, so gäbe es schon eine Menge solcher Säulen im ganzen Judenlande.
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Aber ich bin da einer anderen Meinung. Nikodemus war und ist noch ein Freund von allem, was er irgend als außerordentlich anerkennt. Bei ihm haben darum alle Magier, woher sie auch sein mögen, stets eine gute Aufnahme gefunden. Irgend so etliche echt indische oder persische Zauberer haben ihm mittels ihrer geheimen Kunst und Wissenschaft und im Bunde mit den Kräften der Elemente - wie da etwa sind die Luft-, Wasser-, Erd- und Feuergeister - aus Dankbarkeit ein solches Monument hergesetzt, und er wird damit eine große Freude gehabt haben. Denn es sollen solchen Erzzauberern solche Dinge eben nicht unmöglich sein.`
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Auch dieses Urteil hat seine Anhänger gefunden. Nur macht der erste Urteilsschöpfer die weise Bemerkung hinzu, sagend: ,Es ist das aber dann schon nahe ein und dasselbe; denn wir wissen es ja, daß derlei Zauberer sicher im Bunde mit der Hölle stehen und mit Hilfe der Teufel ihre Künste ausführen.`
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Sagt der zweite Urteilsschöpfer: ,Na, na, wir wissen es ja auch nicht, was die Elementargeister alles vermögen! Auch in gewissen Kräutern sollen manche verborgenen Kräfte sein.`
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Damit sind wieder mehrere einverstanden.
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Aber nun kommt ein dritter und sagt: ,Auch ich bin mit euren Urteilen unter gewissen Umständen teilweise einverstanden, bin aber für mich doch noch einer anderen Ansicht und Meinung. Es kann diese Säule auch von den Römern herrühren, die sie irgend zur Nachtzeit dem Nikodemus als eine Auszeichnung darum hierhergesetzt haben, weil er geheim ein ganz besonderer Freund von ihnen sein soll. Denn den Römern dürfte so etwas eben nicht sehr unmöglich sein. Wagen und andere Mittel haben sie in großer Menge und der kräftigsten Menschen auch. Wenn alles vorbereitet ist, so kann solch eine Säule schon auch in einer Nacht aufgesetzt werden. Daß demnach diese Säule in jeder unserer verschiedenen Ansichten keine für den Tempel freundliche Bedeutung hat, das ist so gut wie völlig entschieden. Doch lassen wir nun das und begeben uns nach Emmaus! Dort werden wir wohl irgend Näheres über den Ursprung und Zweck dieser Säule erfahren.`
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Seht nun hin, wie die schwarze Gesellschaft die Säule zu verlassen anfängt und, sich noch öfter nach der Säule umsehend, nun weiter gen Emmaus hinzieht, was jeder mit nur etwas scharfen Augen sicher noch ganz gut wahrnehmen kann!
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Es sind aber noch mehrere überaus dumme und bösmeinende Urteile über die Entstehung und über den Zweck jener Säule gemacht worden, für deren Wiedererzählung um jeden Augenblick Zeit ein großer Schaden wäre, weil daraus niemand zum Heile seiner Seele etwas gewinnen würde. Aber Ich will euch nun lieber zum voraus von dem etwas sagen, wie diese Abgesandten des Hohen Rates bei Nikodemus empfangen und was sie dort ausrichten werden. Des leichteren Verständnisses wegen aber werde Ich die Sache ganz kurz also darstellen, als wäre sie schon geschehen. Und so höret denn!
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Nikodemus sieht schon von weitem die Abgeordneten, wie sie sich seinem Wohnhause nähern, was ihm und seinen wenigen Freunden - darunter auch zweien Römern - durchaus nicht angenehm ist; aber hier heißt es: Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben!
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Der alte Rabbi meint und sagt: ,Es muß im Tempel etwas Besonderes vorgefallen sein, das diese Erzjuden und Pharisäer bewogen hat, sich umsonst gar da heraus zu begeben, wo sie sich doch sonst für jeden Schritt nie genug zahlen lassen können.`
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Sagt hierauf Nikodemus: ,Da hast du sehr richtig geurteilt! Aber hier heißt es sich sehr zusammennehmen; denn das sind die schlauesten Füchse des Tempels. Ihr wartet hier, ich aber werde ihnen als der Hausherr mit der freundlichsten Miene von der Welt entgegengehen, - und täte ich das nicht, so würden sie mir das gleich zu einem großen Vergehen wider das Ansehen des Tempels anrechnen!`
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Nikodemus geht nun eilig den Ankommenden freundlich entgegen und grüßt sie nach der Sitte des Tempels, welchen Gruß sie ihm denn auch sogleich erwidern. Als sie nun vollends beisammen sind, fragt sie unser Nikodemus gleich, was es denn sei, daß sie ihm eine solche Ehre erwiesen haben.
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Sagt gleich der eine: ,Freund, darüber werden wir in deinem wahrlich schönen und prachtvollen Hause leichter reden denn hier, da uns der bedeutend weite Weg schon wahrlich recht müde gemacht hat; aber es fragt sich vor allem, was du für Gäste bei dir hast.`
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Sagt Nikodemus: ,Niemanden außer den alten Rabbi, Joseph von Arimathia und ein paar Römer, die hier, wie ihr wisset, meine Nachbarn sind, und die man bei einer solchen Gelegenheit ja nicht übersehen darf. Dann ist auch meine Familie hier, um sich auf den heutnächtlichen Schreck ein wenig zu erholen. Also lauter euch bekannte Menschen!`
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Sagt ein Pharisäer: ,Nun, wenn sonst niemand bei dir ist, so macht uns das nichts; denn vor diesen kann man schon reden, und die beiden Römer sind uns in einer gewissen Hinsicht sogar sehr erwünscht. Das andere werden wir im Hause abmachen.`
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Hier treten sie ins Haus und werden von Nikodemus mit der üblichen Zeremonie zu der anwesenden Gesellschaft gebracht, die sie auch sehr freundlich und ehrerbietig begrüßt und bewillkommt und ihnen am Tische auch sogleich die ersten Plätze anträgt, - etwas, worauf die Pharisäer besonders schauen, wie ihr solches selbst gar wohl wisset. Es wird ihnen nun sogleich in silbernen Bechern der beste Wein kredenzt und Brot und Eier und Salz. Sie essen und trinken nun wacker, was auch eine bekannte Tugend der Pharisäer ist; denn auf ein tüchtiges Freß- und Saufgelage halten die Templer besonders große Stücke.
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Aber da sie nun dem Weine ganz tüchtig zugesprochen haben, so werden nun ihre Zungen beweglich, und einer der Pharisäer sagt: ,Da wir uns nun ganz vollauf gestärkt haben, so wollen wir euch denn auch die verschiedenen Gründe unserer persönlichen Hierherkunft ohne allen Rückhalt offen kundtun, und ihr könnet darüber nach eurem besten Wissen, Willen und Gewissen eure Meinung aussprechen.
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Als ihr heute noch vor der Mitte des Tages ob einiger Meinungsverschiedenheiten den Hohen Rat verließet - wozu ihr als Älteste auch das volle Recht habt -, da wurde nachher noch so manches beraten, und das natürlich zumeist über den Störenfried aus Nazareth.
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Daß der Mensch große Dinge leistet, bestreitet wohl keiner von uns; auch seine Rede ist weise und bündig. Aber das sind denn doch noch immer Dinge, die gelegenheitlich ein jeder begabte Mensch erlernen kann. Wir haben ja selbst oft genug morgenländische Magier gesehen, die die unglaublichsten Wunderdinge bewerkstelligen konnten, und die Heiden hielten sie oft sogar für Götter, weil sie nicht wußten, daß die Götter mit Fleisch und Blut ihre Zauberstücke durch ihre geheimen Mittel zustande brachten. Die Mittel aber ließen die Zauberer wohl sicher niemanden sehen und von ihnen genaue Kenntnis nehmen. Und wie es war und noch ist mit allen solchen Zauberern, so wird es auch sicher mit dem Nazaräer sein. Aber bei ihm ist nur das besonders für uns Juden Gefährliche, daß er allen Menschen ohne alle Scheu ins Gesicht sagt, daß er der verheißene Messias der Juden sei und nur die, welche an ihn glauben, das ewige Leben haben werden.
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Wir aber haben seinen Plan durchschaut und wissen recht wohl, daß er sich mit der Zeit zum König der Juden aufwerfen will, was unser Land dann mit Krieg über Krieg erfüllen würde; denn die mächtigen Römer würden mit uns dann sicher nicht barmherzig umgehen. Um das zu verhüten, haben wir dahin den Ratschluß gefaßt, nach dem Menschen zu fahnden mit allen Mitteln und ihn dann dem scharfen Gerichte der Römer zu übergeben. Sollte er wirklich der Messias sein, so wird er als ein Gott sicher nicht zu töten sein, und wir können und werden dann auch an ihn glauben; wird er aber getötet, so liegt es dann doch klar auf der Hand, daß er nur ein Zauberer ist, der sich durch seine Zaubereien einen Thron im Judenlande aufrichten will.
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Um aber dieses gefährlichen Menschen habhaft werden zu können, muß man wissen, wo er sich befindet. Zu dem Zweck entsandten wir nach dem Rate sogleich zwanzig unserer stärksten und schlauesten Häscher an Lazarus, der sich unseres Wissens nun in der Festwoche stets auf seinem Ölberg aufhält. Und wir entsandten die Häscher darum an Lazarus, weil wir es in Erfahrung gebracht hatten, daß er es ganz sicher wisse, wo sich der Zauberer aus Nazareth befinde. Es hätten uns aber die Häscher alsogleich davon benachrichtigen sollen, was sie von Lazarus infolge ihrer Schlauheit erfahren haben, und es hätte das in einer kleinen Stunde geschehen können. Aber es kam keiner der Häscher - vielleicht bis jetzt noch nicht - zurück, und wir sind darum zu dir herausgekommen, weil wir dachten, Lazarus könne vielleicht die Häscher zu dir herausgeschickt haben, in der Meinung, daß du als Meister der Bürger Jerusalems so etwas durch deine vielen Aufseher am ehesten wissen werdest. Aber wir überzeugen uns nun hier vom Gegenteile.
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Da wir aber nun schon hier sind, so fragen wir denn nun dich selbst, ob du nicht oder wohl weißt, wo sich nun der Nazaräer aufhalten dürfte. Denn wissen wir das, so wissen wir dann schon, was wir zu tun haben. Die Zeichen in dieser Nacht kann ganz leicht er - etwa in Verbindung mit den elenden Essäern - zustande gebracht haben; denn diese sollen durch gewisse arkadische Spiegel dergleichen Dinge zu bewirken imstande sein. Wir vermuten nun, daß er zu den Essäern gezogen ist. Wenn das der Fall wäre, dann wäre mit unserem Plane freilich wohl nicht viel zu machen. Was kannst du, Freund Nikodemus, über alles das nun sagen und raten?`"

Fußnoten