Das Grosse Evangelium Johannes: Band 7
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr auf dem Ölberg (Fortsetzung)
Ev. Joh. Kap. 8
- Kapitel 148 -
Raphael enthüllt die Sünden der Pharisäer
Als Raphael vor den Augen der Menschen das Brot, die etlichen Fische und auch einen Becher Weines verzehrt hatte, da trat er schnell zu den vieren hin und sagte: ,,Seht, ich bin schon fertig und werde euch nun gleich aus eurem Gerechtigkeitstraume helfen!
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Ihr entschuldigtet euch zuvor mit den strengen Gesetzen eures Tempels, die ihr nicht gemacht und verfaßt habt; aber wer gab euch denn dann das Gesetz, durch das ihr eure Helfershelfer in allerlei Verkleidung zu den Menschen hinaussandtet, damit diese durch allerlei List und anderwärtige Verlockungen zur Sünde wider Gott, wider euch und den Tempel verleitet würden? Hatte sich jemand von ihnen verleiten lassen, so wurde er von den Verführern euch angezeigt, und ihr sandtet dann sogleich eure Schergen und Häscher hinaus. Diese brachten ihn zu euch, und ihr diktiertet ihm, so er irgend vermögend war, unerschwingliche Strafen. Schafe, Kälber, Kühe, Ochsen, Stiere und Esel, Getreide, Hühner, Wein und Geld mußte er euch geben als Sühne für seine Sünden; hatte er auch irgendeine schöne Tochter, so mußte er diese entweder dem Tempel opfern oder dafür ein großes Lösegeld bezahlen. Saget selbst, ob das keine Sünde war, die ihr auf eine himmelschreiende Weise an den Menschen verübt habt!
3
Aber in der letzten Zeit habt ihr es euch noch besser eingerichtet! Ihr brauchet nun gar keine Verlocker mehr, die da herumziehen, damit sie die Menschen zu allerlei Sünden verführen, sondern ihr sendet jetzt bloß und gleich eure Schergen und Häscher aus. Diese müssen die Menschen, die irgend etwas haben, sogleich brandschatzen und unter dem Vorwande, daß es der Tempel in volle Erfahrung gebracht habe, daß sie wider Gott und wider den Tempel grob und sehr verdammlich gesündigt haben, ihnen gleich alle ihre Habe wegnehmen, - und wer sich da sträuben sollte, der soll sogleich gezüchtigt werden!
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Ist solch euer Tun und Treiben mit der armen Menschheit etwa auch in irgendeinem Mosaischen Gesetze geboten, oder ist das etwa keine Sünde gegen die Menschheit und gegen Gott?
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Wenn ihr um irgendein angenehmes Weib wußtet, so habt ihr es zum Ehebruch verleitet, - und wurde sie eine Ehebrecherin durch euch, so weiß das nun schon jedermann, was ihr dann mit ihr weiter getrieben habt.
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Kurz, ich sage es euch, so arg wie bei euch im Tempel ist es in Sodom und Gomorra nicht zugegangen, und dennoch getrauet ihr euch, mir das ins Gesicht zu sagen, daß ihr gegen das Volk nur nach dem Gesetze, das ihr nicht gemacht hättet, vorgegangen seid!
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Könnet ihr euren Bluthandel an die unfruchtbaren Weiber an den äußersten Marken des nördlichen Judenlandes entschuldigen, und wisset ihr von jenen in eurem Solde stehenden Straßenräubern nicht, die schon zu öfteren Malen in der Kleidung römischer Diener und Amtsinhaber den reich beladenen Karawanen ihre Schätze abnahmen und für sich behielten, das heißt für euch und den Tempel?
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Diese eure Handlungsweise steht meines nur zu klaren Wissens auch in keinem Gesetze; wohl aber steht es geschrieben, daß man auch gegen die Fremden gerecht sein soll und soll sie ziehen lassen auf den Straßen, wenn sie dieselben nicht als Feinde betreten. Wenn ihr als Juden aber sowohl an den Einheimischen wie an den Fremden solche Ungerechtigkeiten verübt habt, wie wollet und wie werdet ihr diese und noch tausend andere Ungerechtigkeiten, die ihr überfrech der armen Menschheit zugefügt habt, je wieder gutmachen?
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Wie werden diejenigen es euch je vergeben, die ihr auf die grausamste Weise getötet habt, geistig und leiblich, und wie werdet ihr den vielen Fremden die ihnen geraubten Güter und all den vielen Einheimischen die ungerecht abgenommenen Sühnopfer für die ihnen von euch angedichteten Sünden wieder zurückstellen?
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Ich habe nun geredet; was könnet ihr mir nun erwidern, so ich euch noch hinzusage, daß ihr und eure Vorgänger nur darum stets auf das eifrigste bemüht waret, die Propheten zu verfolgen und zu töten, weil diese euch eure Greuel vorhielten und das Volk vor euren falschen und lügenhaften Lehren und Satzungen warnten, und ihr selbst nun aus dem ganz gleichen Grunde auch den allergrößten Propheten aus Galiläa zu verderben suchet, weil Er gleich mir und diesem Fremden aus Oberägypten wider euch zeugt? Redet nun und entschuldiget euch vor mir; denn auch ich bin ein Bote Gottes, des Herrn von Ewigkeit!"
11
Sagte ein Pharisäer: ,,Das magst du wohl sein; aber ich begreife nur das nicht, wie du, als kaum ein Jüngling noch, es zu einer solchen Weisheit gebracht hast! Bist denn du auch ein Galiläer und hast das alles von dem großen Propheten gelernt, wider uns also zu Felde zu ziehen offen vor den Menschen, - und doch haben wir dir unseres Wissens nie ein Leid angetan!
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Du hast uns nun sogar vor den großen und hohen Römern großer Verbrechen und himmelschreiender Ungerechtigkeiten beschuldigt, die wir selbst beim besten Willen nimmer gutmachen können; wenn du aber die leidigen Weltverhältnisse, in denen wir leben, dazu in Anbetracht nimmst, so wirst du auch mit deiner Weisheit einsehen, daß kein Mensch gegen einen Strom schwimmen kann und ein jeder Mensch seinen Mantel nach dem Winde richten muß.
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Wir sind nun durch den Wundermann aus Oberägypten und nun auch durch deine harte Rede, hoher, erhabener Jüngling, zum ersten Male überzeugend dahintergekommen, daß es wahrhaft ein höheres Leben im Menschen geben muß. Nun gut, der Mensch, der diese ganz helle Überzeugung lebendigst in sich hat, der hat freilich leicht reden und handeln; aber wir haben heute das erstemal Dinge erlebt, die uns sagten, daß Moses und auch alle andern Propheten keine Phantome einer erhitzten menschlichen Phantasie, sondern wirkliche Wahrheiten sind, von denen wir früher keine Ahnung hatten. Und so erst sehen wir nun auch ein, daß wir nach dem reinen Gesetze Mosis uns gar entsetzlich an der Menschheit versündigt haben. Aber wir können das nun unmöglich wieder gutmachen, wie es auch ganz rein unmöglich ist, daß wir, als nun selbst zur Einsicht gekommen, dem ganzen Tempel und allen Pharisäern im ganzen Judenlande unsere Einsicht als lebendig wahr seiend mitteilen könnten.
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Der Herr im Himmel wird es wohl wissen, warum Er uns so lange mit der dicksten Blindheit gestraft hat; aber ich bin darum auch der Meinung, daß Er uns rechtlicherweise nicht verdammen kann, weil wir als Blinde in den Abgrund gestürzt sind. Wir werden nach unseren Kräften und Mitteln wohl alles tun, was sich nur immer tun lassen wird; aber gar alles, was durch unsere Blindheit Böses und Arges veranlaßt worden ist, läßt sich nicht gutmachen - außer mit dem Willen.
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Also werden wir auch im Tempel dahin wirken, daß wenigstens von uns aus der große Prophet nicht mehr verfolgt werden wird, indem wir uns beim Hohen und nun eigentlich bösen Rate nicht mehr beteiligen werden; ob aber darum der Hohe Rat abstehen wird, den großen und mächtigen Propheten zu verfolgen, das wissen wir wahrlich nicht! Aber nach dem, was du und der große wundermächtige Mann aus Oberägypten von ihm ausgesagt habt, wird er sich vor dem Hohen Rate sicher noch weniger fürchten als ihr beide. Denn was kann der Hohe Rat mit allen seinen Kniffen und Beschlüssen gegen die Macht eines Menschen, der mit aller Macht des Geistes Gottes ausgerüstet ist, ausrichten? - Nun habe ich geredet, und es steht nun bei dir, uns zu sagen, ob ich recht geredet habe."