Das Grosse Evangelium Johannes: Band 4
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
- Kapitel 156 -
Die geistigen Vorgänge beim Tode der Witwe und ihrer Tochter
1
(Mathael:) ,,Es waren aber seit der Heilung dieser Witwe ganz gut ein paar Jahre verlaufen, ohne daß wir von unserer Witwe etwas vernommen hatten. Auf einmal frühmorgens, gerade an einem Sabbate, erschien ein Bote von seiten unserer Witwe und ersuchte den Vater, sich so schnell als möglich auf den Weg zu machen; denn die bekannte Witwe sei samt der Tochter urplötzlich derart unwohl geworden, daß wohl niemand mehr aus dem Kreise ihrer sie tief betrauernden Nachbarn an ihr Aufkommen zu denken sich getraue.
2
Daß wir auf diese Kunde hin trotz des Sabbats uns bald auf unseren Dromedaren befanden, braucht kaum erwähnt zu werden, und daß der Vater die sonderbare Medizin nicht vergaß, von ihr ein rechtes Quantum mitzunehmen, versteht sich auch von selbst; denn er war ganz naturgerecht der Meinung, daß diese Witwe einen Rückfall ihres Übels bekommen habe, wie das bei derlei Übeln eben in nicht gar zu seltenen Fällen sich ereignet, und ein jeder Arzt weiß, daß ein Rückfall in ein altes Übel viel hartnäckiger ist als das erstmalige Auftreten desselben.
3
Nach etlichen Stunden erreichten wir das bekannte Haus. Aber schon in der Ferne von einer halben Stunde Fußweges entdeckte ich das ganze, große Wohnhaus in einen recht dichten, blauen Dunst eingehüllt; und je näher wir dem wohlbekannten Hause kamen, desto deutlicher entdeckte ich in dem Blaudunste die schon bekannten Bestien herumschwimmen. ,Halt`, sagte ich zum Vater, als wir noch so etwa sechzig Schritte von dem Hause entfernt standen, ,da gehen wir wegen unseres leiblichen Heiles um keinen Schritt mehr weiter, wollen wir nicht beide alsbald eine Beute des Todes werden; denn derselbe böse Blaudunst mit seinen höchst unheimlichen Einwohnern umhüllt nun das ganze Haus!`
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Mein Vater fing nun an, ganz gewaltig zu stutzen, und hielt plötzlich inne. Er sandte den Boten ins Haus der beiden Kranken, auf daß er ihm Kunde brächte, wie sich dieselben etwa doch befänden. Der Bote eilte sogleich ins Haus und fand die beiden aber schon ganz bewußtlos und im vollsten Ringen mit dem unerbittlichen Tode.
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Als der Vater solches vom Boten vernommen hatte, da sagte er zu ihm: ,Freund, Wunder wirken kann ich nicht, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als umzukehren, und je schneller desto lieber! Denn es ist nicht geheuer, in der Nähe dieser beiden Kranken zu sein!`
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Der Bote aber meinte, daß wir uns doch noch eine Stunde aufhalten sollten; denn man könne ja noch nicht ganz bestimmt wissen, ob die beiden nicht doch noch einmal zu sich kämen.
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Sagte der Vater: ,Du freilich nicht, aber desto bestimmter weiß ich darum! Alles in der Welt hat in und um sich oft weit herum gewisse Kennzeichen, aus denen ein Kundiger mit großer Sicherheit schließen kann, wie da irgendeine Sache oder ein Ding beschaffen ist; und so ist es auch hier! Ich erkenne es sogar am Hause, daß die beiden keine Stunde mehr leben werden und leben können! Hier wäre ein jeder Rettungsversuch ein rein vergeblicher zu nennen!
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Ihr männlichen Diener dieses Hauses alle aber suchet Klapper- und Ringelschlangen zu bekommen, schlaget ihnen die Köpfe ab, reiniget und kochet sie und genießet ihre Brühe zu öfteren Malen, sonst sterbet ihr alle in einem Jahre an der gänzlichen Auszehrung; denn die euch unbekannte Ausdünstung dieser beiden weiblichen Wesen ist von der Art, daß ein jeder Mann, der ihnen besonders jetzt zu sehr in die Nähe kommt, davon ergriffen und längstens in anderthalb Jahren eine förmliche Mumie wird!`
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Der Bote dankte sehr für diesen Rat und wollte den Vater sehr reich beschenken; aber der Vater nahm nichts an und fing an, die Dromedare und das Lastkamel umzukehren, eine bei diesen Tieren immer nicht zu leichte Arbeit, besonders wenn sie müde und hungrig geworden sind. Dem Vater war dieses Umkehren unserer Träger zwar stets etwas Ärgerliches, aber diesmal kam es uns beiden sehr gut zustatten. Denn hätten sich unsere Tiere schnell unserem Willen gefügt, so wären wir beide, und ganz besonders ich, um eine wohl der allerdenkwürdigsten Anschauungen gekommen.
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Der Blaudunst vergrößerte sich nach und nach gut um die Hälfte, erhob sich aber gleich einer Riesenkugel bald übers ganze, große Haus und ward angefüllt nicht nur von den beiden Schlangengattungen, sondern von noch einer übergroßen Menge von allerlei Getier böser und mitunter auch sehr sanfter Art. Diese trieben sich in dem Großballe herum wie die Kraniche, wenn sie auf und in die Höhe fliegen. Der ganze Ballen aber hing an zwei schwach aussehenden Schnüren oder besser Bändern. Die eine und etwas kleinere Hälfte des Ballens war etwas lichter als die größere andere.
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Sehr sonderbar kam es mir vor, wie da ein recht starker Frühabendwind dem sehr locker hängenden Ballon nicht die allerleiseste Störung zu bewirken imstande war. Während aber ich mir diese Erscheinung also ganz erstaunt ansah und in römischer Zunge den Vater davon benachrichtigte, bemerkte ich am Ende stets mehr Exemplare von größeren Tieren, als Ratten, Mäuse, Kaninchen, Hühner, Tauben, Enten, Gänse, Lämmer, Ziegen, Hasen, Rehe, Hirsche, Gazellen und noch eine Menge anderer Tiere, ganz vollkommen ausgebildet, in dem großen Balle herumschwärmen.
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Der Vater bemerkte mir: ,Sohn, redest du wohl die vollste Wahrheit? Denn diese Geschichte fängt denn doch an, mir ein wenig zu bunt zu werden!`
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Ich aber beteuerte dem Vater, daß ich nun wie allzeit ihm nur das erzähle, was ich klarst vor meinen Augen sehe, nicht ein Wort mehr und auch nicht ein Wort weniger mache. Da sagte der Vater dann nichts mehr und gab auf jedes meiner Worte außerordentlich acht.
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Als ich dies sonderbarste Bild von einer je erlebten Erscheinung so immer intensiver und erregter in den Augenschein nahm, da rissen auf einmal die beiden Bänder, an denen der große Ball befestigt zu sein schien, und nun schwebten aber statt des einen großen Balles plötzlich zwei getrennte, ungefähr bei zwei Mannshöhen hoch, über dem Hause. Der stets heftiger werdende Wind vermochte ihnen nichts anzuhaben; wie gemauert fest schwebten nun die beiden Ballons über dem großen Wohnhause.
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Ich bemerkte nach der Trennung nichts mehr von den Geschmeißtieren in den getrennten Ballons, von denen einer etwas kleiner zu sein schien und auch mehr Helle hatte denn der größere; auch hatte der kleinere nur ein von lauter sanften Tieren in sich, der größere aber faßte in sich auch Wölfe, Bären und eine Menge Füchse, die aber nebst den vielen auch sanften Tieren ganz gemütlich hin und her und auf und ab schwärmten. Merkwürdig war auch das, daß ich im schon ziemlich bedeutenden Abenddunkel alles in diesen beiden Ballons so hell und klar ausnahm, als würden sie von der Mittagssonne beleuchtet."