Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
- Kapitel 60 -
Barabbas
Während die Jünger sich noch über das Gehörte aussprachen, sahen wir, wie ein Trupp Soldaten mehrere Menschen zwischen sich führte, welche anscheinend Gefangene waren. Es waren das mehrere Menschen, welche gegen die Verordnungen Roms gefehlt hatten und nun nach Jerusalem zu Pilatus geführt werden sollten, um nach den Gesetzen Roms verurteilt zu werden.
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Einer ward schwer gefesselt zwischen zwei Soldaten geführt, die mit gezogenen Schwertern neben ihm gingen, bereit, ihn bei dem geringsten Fluchtversuch niederzuhauen.
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Philippus fragte Mich, was denn der wild aussehende Mann verbrochen habe, und wer er sei.
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Ich antwortete ihm: ,,Dieser ist ebensowohl ein Werkzeug Gottes, wie ihr es seid, wenn er auch seine Fähigkeiten nicht in die Dienste des Vaters gestellt hat. Er muß dienen, den Sohn zu verherrlichen, ebensogut wie ihr berufen seid, Sein Werk zu verbreiten."
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Fragten Mich verwundert die andern, wie Ich das meinte.
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Ich verwies ihnen diese Frage, weil in kürzester Zeit die Tatsachen ihnen die Antwort geben würden.
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Es war aber der Gefangene, der so scharf bewacht dahergeführt wurde, ein Anführer der räuberischen Wüstenbewohner, welche den Gesetzen der Römer nicht untertan sein wollten, und welche in den Gebirgen so viele Schlupfwinkel besaßen, daß die römische Justiz ihrer nicht habhaft werden konnte, ähnlich wie auch noch jetzt im südlichen Palästina und ostwärts des Jordans die dortigen Stämme ein ungebundenes Leben führen und der türkischen Herrschaft spotten.
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Dieser Mann hieß Barabbas, war ungemein kühn und verwegen und hatte den Römern schon manches kleine Gefecht geliefert, als sie Truppen aussandten, den Anführer zu fangen. Er genoß im Volke ein gewisses Ansehen durch seine Verwegenheit, welche ihn stets glücklich durch alle Gefahren hindurchführte, so daß sich ein gewisser Sagenkreis um seine Person gebildet hatte, wie es bei ähnlichen Charakteren auch in späteren Jahrhunderten oft geschehen ist.
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Trotz seiner Räubereien galt er als ein nicht unedler Charakter, der dem geringen Manne nie Leides tat, sondern ihn beschützte, wo es in seiner Macht stand. Er war jedoch ein geschworener Feind der Reichen und namentlich der Römer, die ihn unterjochen wollten. Als letzterer stand er bei den Juden in hohem Ansehen, da auch sie die Römer haßten. Er fand sogar im Tempel einen gewissen Schutz, da dieser hoffte, durch Barabbas einen Einfluß auf die arabischen Völker zu gewinnen.
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Als er jedoch gar zu frech wurde und eine römische Kolonne, welche nach Petra zog mit Geldern und Schätzen für den dortigen Prokonsul, überfiel, wurde ihm von dem römischen Heerführer in Petra eine Falle gelegt und er nach heftigstem Widerstand gefangengenommen. Bei dem stattgefundenen Kampf erschlug Barabbas den Sohn des Statthalters von Petra und wurde nun, des Aufruhrs und des Mordes bezichtigt, nach Jerusalem gesandt, um von Pontius Pilatus abgeurteilt zu werden.
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Dieser Barabbas nun wurde in Jerusalem zunächst in das allgemeine Richthaus abgeführt, um sodann, nachdem eine umfassende Klage durch die Zeugenverhöre aufgestellt wäre, dem römischen Gerichtshof überliefert zu werden. Solange letzteres aber nicht geschehen war, hatte Pontius Pilatus als der oberste Herr über Judäa vollständige Gewalt über ihn und war nur dem Kaiser allein für sein Tun und Handeln verantwortlich.