Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
- Kapitel 59 -
Über die Zulassung des Krieges
Als wir nach mehrstündiger Wanderung die Straße erreichten, welche von Jericho nach Jerusalem führt, hatten wir Gelegenheit, uns eine kleine Rast zu gönnen, weil ein größerer Trupp römischer Soldaten, welche ihre Quartiere wechselten und nach Rom zurückbefördert werden sollten, die Straße einnahm. Wir lagerten uns daher etwas abseits, um den Zug erst vorbeiziehen zu lassen, dem wir sodann zu folgen hatten, um Bethanien zu erreichen.
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Als nun Meine Jünger diese straffen, starken Menschen betrachteten, die alle wettergebräunt und markig aussahen - sie gehörten zu Kerntruppen, die in Jericho, als einem damaligen Weltplatz, aus besonderer Bevorzugung überwintert hatten -, meinte Jakobus zu Mir, ob denn diese Leute wohl wirklich eine rechte Freude an ihrem Kriegerhandwerk fänden, oder ob der doch auch in ihnen wohnende Geist sich nicht rege, um ihnen klarzumachen, daß der Krieg doch die Unbrüderlichkeit und die Loslassung aller möglichen Laster bedeute. Schließlich wurde Mir die Frage gestellt, wieso Ich denn den Krieg überhaupt zulasse, wodurch so viele blühende Menschenleben und Existenzen vernichtet, die Seelen verroht und oft gänzlich verdorben würden. Alle blickten Mich fragend an, da noch niemals diese direkte Frage gestellt wurde.
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Ich forderte daher alle auf, sich Mir mehr zu nähern, damit Ich nicht allzulaut zu sprechen brauchte und die Aufmerksamkeit der Vorüberziehenden nicht erregt würde, und sprach also: ,,Es ist stets notwendig, daß ihr bei Betrachtung aller Dinge, die sich im menschlichen Leben dem Auge zeigen, niemals nach der Außenseite urteilt, sondern stets nach dem inneren Wesenheitskern. Materielle, äußere Dinge und geistige, innere, das heißt entsprechende Dinge können im scheinbar größten Widerspruch stehen, weil sie sich oftmals polar zueinander verhalten, ja, als sich völlig entgegenstehende Begriffe so verhalten müssen, trotzdem eines ohne das andere nicht bestehen kann. Treten diese Gegensätze recht grell vor eure Augen, so glaubt ihr unerklärliche Widersprüche zu entdecken, die jedoch für des Geistes Auge durchaus keine solchen bedeuten. So zum Beispiel hier:
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Der römische Soldat, dessen Gewerbe der erlaubte Mord ist, wie steht er in seiner äußeren menschlichen Stellung, die gewiß nicht Meiner Friedenslehre entspricht, zu seinem inneren Menschen, der doch auch von Gott ist und zu Gott zurückkehren soll? Ja, wie ist es möglich, fragt ihr, daß Ich es zulasse, daß eine Seele, mit dem göttlichen Geistesfunken beschenkt, sich in solche Verkehrtheiten verstrickt?
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Ihr glaubt hier keine Erklärung entdecken zu können; denn wenn Ich auch auf den freien Willen des Menschen hinweise, durch den derselbe ja in seiner äußeren Stellung ergreifen kann, was er will, so werdet ihr fragen: ,Ist es denn aber gerade notwendig von Dir, den Menschen soviel Freiheit zu gestatten, daß sie diese zu Mord und Totschlag benutzen, und wäre es nicht besser, diese Freiheit dahin wenigstens zu beschränken, daß sie nicht benutzt werde zu soviel unredlichem Weh und Leid auf Erden?` Ja, ihr werdet fragen: ,Kann die Gottheit, welche die wahrhafte Liebe ist, bei so unendlich vielem Unglück und fürchterlichstem Elend, wie sich die Menschen bereiten, denn so ruhig zuschauen, ohne zu zucken oder Halt zu gebieten? Muß diese so liebevolle Gottheit nicht eine gefühllose Gottheit sein, die eine Art Freude empfindet am ruhigen Zuschauen, wie sich Ihre Geschöpfe zerfleischen? Ein jeder Mensch würde, so ihm die Kraft dazu ist, bei so vielem Elend nicht ruhig zusehen, sondern das Mitleid allein würde ihn schon zwingen, hinzuzuspringen und mit heiligstem Ernste den streitenden Parteien ein Halt zu gebieten. Warum tut das nun die Gottheit nicht, die doch über alle Kräfte gebietet?`
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Sehet, so fragt gar manche zagende Seele, in die schon viel Meines hellsten Lichtes geflossen ist, und beginnt zu zweifeln an der wahren Liebe und sogar an dem Vorhandensein eines Gottes der Liebe, verirrt sich in allerhand Abgründe des Zweifels und fällt schließlich von dem wahren Glauben ab.
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Ich will euch aber ein Licht geben, welches alle diese Fragen genügend beleuchtet. So höret denn!
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Es ist zunächst zu betrachten, wie der Mensch sich zum Menschen stellt, und dann, wie er, als in der Materie lebend, sich zu Gott stellt, - oder anders: Wie neigt er sich in seinen Begriffen zu dem Sichtbaren und Unsichtbaren?
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Da ist es nun ganz natürlich, daß der einfache, seelisch noch unentwickeltere Mensch, der seinen Gedankenflug naturgemäß zunächst nur auf das ihn umgebende Äußere richtet, auch nur nach dem urteilt, was er sieht und hört. Nur das rein Äußere der Erscheinungen wird ihn zunächst anziehen; er wird es beurteilen, seine Schlüsse ziehen und aus den gemachten Erfahrungen heraus es verstehen, sich die äußere Umgebung zunutze zu machen. Erst wenn er so weit eingedrungen ist, um dieses Äußere der Naturbegebenheiten zu beherrschen, wird der Verstand ihn anregen, nach dem Warum zu fragen und dieses zu erforschen. Der Entwicklungsgang ist aber in der materiellen Welt stets der, daß erst die äußere Hülle studiert und dann der geistige Kern oft nur sehr mühsam herausgeschält wird.
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Ihr wißt aber nun, daß die Entwicklung des Tierreiches sowie des vorangehenden Pflanzenreiches auf der Vernichtung der äußeren Form beruht, unbeschadet des in ihr waltenden inneren Lebensprinzips, welches die Vervollkommnung erstrebt. Dieses äußere Naturbeispiel bleibt natürlich dem nicht seelisch entwickelten Menschen auch nicht verborgen, ja es lebt in ihm als zu überwindende Seelenstärke, da seine Lebensbahn diesen Zerstörungssinn in sich einschließt. Er ahmt es also auch insofern nach, als er das Recht des Stärkeren für sich beansprucht und auch ausübt, solange er sich in dem Zustande befindet, der die innere seelische Entwicklung noch behindert. Erst wenn Zeitperioden eintreten, in welchen die seelische Ausbildung obenan steht, wo gewisserart das rein äußerliche, materielle Beobachten als ein überwundener Standpunkt betrachtet wird, kann diese Seelenhärte nicht mehr auftreten und das Recht des Stärkeren im Menschen gänzlich verschwinden. Es tritt dann das Recht des erleuchteten Menschengeistes in Kraft, welches weit unüberwindlicher ist als die erste physische Kraft.
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Jene Soldaten aber stehen sämtlich auf der Stufe der rein äußeren Naturbeobachtung, die sie das Recht des Stärkeren lehrt - um seelische Entwicklung kümmern sie sich noch nicht -, ahmen daher auch diesen Kampf in der Natur nach und empfinden vorläufig auch gar keine Leere in sich. Ja, sie können sogar dabei recht gute Menschen sein, sogar gutmütig, solange sie keinen eingebildeten Feind in Gestalt eines fremdländischen, kriegführenden andern Soldaten vor sich haben, dem sie jedoch als erbittertster Gegner gegenüberstehen, sowie die Trompete zum Streite ruft.
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Diese Erziehung jedoch muß Ich walten lassen, weil das Erkennen des inneren Kernes nur möglich ist durch das Hindurchdringen durch die harten äußeren Schalen, der Menschengeist aber nicht anders zu erwecken ist als durch Erfahrung.
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heißt es hier, und wie wahr dieses Sprichwort ist, wißt ihr; denn durch Erfahrung lernt ein Schüler mehr als durch hundert auswendig gelernte, unerprobte Regeln. Die Erde ist aber ein Schulhaus, wo die Geister durch Erfahrung klug werden sollen; daher ist ihnen auch hier die mannigfachste Gelegenheit gegeben, Erfahrungen über Erfahrungen zu sammeln, damit der Geist schnell ausreife. Wie aber diese Summe schwerer, bitterer und unangenehmer Erfahrungen, welche einem wilden Bergstrom gleichen, zu einem sanft gleitenden, ruhigen Fluß eingedämmt wird, sagt Meine Lehre, und Mein Leben soll und wird stets ein Beispiel bleiben, wie alle Erfahrungen dazu dienen, den Geist im Menschen Gott nahe, ja innig nahe zu bringen.
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Wenn ihr daher eure Erfahrungen mißachtet, so werdet ihr auch niemals kluge Bauleute am Reiche Gottes werden können; denn allezeit heißt es bei Mir, auf praktischem Wege die Menschen zu erziehen. Meine Stimme kann aber in der Menschenseele meist erst dann klar ertönen, wenn durch viele bittere Erfahrungen aller Art die Seele verinnerlicht wurde und von dem Äußeren sich abgewendet hat.
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Will also die Menschheit durch äußere Kämpfe und Kriege hindurchgehen, in denen sich doch nur darum handelt, eine möglichst große Machtstellung zwischen zwei Staaten zu behaupten oder zu erringen, so wird die Erfahrung sehr bald lehren, wie wenig Glück und Zufriedenheit sowie innere Geistesentwicklung möglich ist, wenn Kriegsgeschrei die Länder durchtobt und alle Lebensfreuden untergräbt.
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In späteren Zeiten wird denn auch der Krieg als ein Unding, als ein dem Menschen verabscheuungswürdiger und nicht rühmlicher Zustand erkannt werden, während jetzt noch Ehre und Ruhm von ihm erwartet wird, und der Krieg wird völlig verschwinden. Das Menschengeschlecht wird sich nach Abwendung von diesen äußeren Kämpfen den inneren zuwenden, und jeder wird durch Besiegung des inneren Feindes mehr Ruhm vor Mir erringen können als der siegreichste Feldherr vor den Augen seines Imperators.
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Zu dieser Erkenntnis ist aber die Erfahrung nötig, deren Weg durch viele Mühsale und Irrungen hindurchgeht. Diese Schule ist einzig und allein die, welche wirklich eine freie Entschließung der Menschenseele zuläßt. Daß aber Gott Selbst zusehen kann, liegt doch einfach darin, daß hier das Ziel höher steht als alles andere. Die Mittel, welche das Ziel erreichen helfen, sind jedoch höchst weise und schließen stets die sicherste Wirkung in sich.
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Wenn ein Vater ein ungezogenes Kind besitzt, das wenig Neigung hat, seinen Worten und Geboten zu gehorchen, so wird er ihm auch Gelegenheit geben, durch irgendeine böse Erfahrung recht gründlich anzurennen, wird aber dabei suchen, möglichst die bösen Folgen zu lindern. So ist es auch bei Gott und den Menschen. Gott sucht allezeit die Mittel hervor, welche sanft sind, muß jedoch, falls diese wirkungslos bleiben, selbst zu den kräftigsten greifen, um die Menschheit auf der Bahn zu erhalten, welche zum Ziele des Friedens und der reinsten Glückseligkeit führt.
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Wenn aber ein Mensch diese Bahnen nicht wandeln will, weil er alles mißachtet, was ihm durch diese Erziehungsmethode in den Weg gelegt wird, so ist es doch ganz natürlich, daß diese Mißachtung ihn schließlich ins Verderben führen muß, weil er keineswegs durch Schaden klug werden will, sondern sogar alle Hemmnisse, die sich ihm entgegenstellen, geradezu herausfordert, so daß er leicht sein Leibesleben einbüßen kann durch Nichtbeachtung der einfachsten Vorsichtsmaßregeln, die dem Klügeren sich von selbst aufdrängen. Wie kann aber da die Gottheit verantwortlich gemacht werden für das, was der einzelne Mensch selbst aus eigenstem Antrieb verschuldet? Sie ist also da weder grausam noch ist Sie irgendwie geneigt, ein Vergnügen an den Leiden Ihrer Geschöpfe zu finden, sondern Sie ist lediglich gezwungen, des Zieles wegen Ihre Liebe zurückzudrängen und die Weisheit vorherrschen zu lassen.
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Da habt ihr also nochmals eine Erklärung für das, was in ähnlicher Form euch schon des öfteren gesagt worden ist. Betrachtet demnach die Außendinge nur von ihrem inneren Zusammenhange aus, damit ihr nicht mehr auf allerhand Zweifel und Widersprüche stoßet!"