Gottes Neue Bibel

Bischof Martin

Die Entwicklung einer Seele im Jenseits

- Kapitel 39 -

Bischof Martin allein im Saale seines Hauses. Die Betrachtung des Erdglobus und der übrigen Himmelskörper. Martins Langeweile

Ich verlasse nun erscheinlich den Bischof Martin und er fängt, sich allein befindend, folgendermaßen mit sich zu debattieren an: ,,So, so, nun bin ich endlich wieder einmal allein! Zwar hier überaus wahrhaft himmlisch, erhaben glänzend, gesättigt, gesegnet und somit sicher auch nun schon selig, überselig. Aber allein, und das mutterseelen allein bin ich nun doch! Bloß meine Ideen gaukeln an diesen Wänden, ähnlich den Bildern, die auf der Welt auf dem Wege der Hohlspiegel erzeugt werden, auf und ab und hin und her. Sonst aber gibt es auch nicht einmal eine Mücke, die mir etwas vorsumsen möchte.
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Will einmal doch zu dem großherrlichen Erdglobus gehen und mich ein wenig mit ihm beschäftigen. Wahrlich, ein endlos kostbares Kunstwerk! Da, sieh, gerade da ist ja der Ort, wo ich als Bischof fungiert habe; da die Kirche, da meine Residenz! Und siehe, da ist auch der Friedhof, da mein Grab, und was für ein köstlich Monument! Aber sind das doch übergroße Narren, die Menschen, welche dem Kote Monumente setzen und den Geist vergessen! Wenn ich so könnte dieses Monument mit einem wohlgenährten Blitze zerstören, es wäre mir ordentlich leichter ums Herz. Aber, der Herr allein tue was des Rechtens ist!
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Daher etwas umgedreht, mein lieber Globus! Werde einmal sehen, wie's etwa in Australien aussieht! Aha, da ist es schon, das Land der Wildheit! O Tausend, Tausend, da sieht es sehr schief, sehr arg aus: nichts als die derbste Finsternis, die schnödeste Sklaverei, Verfolgung, Mordung der Menschen leiblich und geistig! Behüte dich der Herr, mein lieber Globus, auf die Art werden wir sehr wenig miteinander zu tun bekommen! Da müßt' ich ein großer Esel sein, so ich mich über deinen Anblick bis zum Verzweifeln ärgern sollte, hier im Reiche des ewigen Friedens! Nein, jetzt möchte ich aber gerade vor Ärger zerbersten, wie da diese mächtigeren Erdenmenschen ihre schwachen Brüder gerade zur Unterhaltung auf alle mögliche Art martern und grausam töten! Weg, weg daher mit dir, du elende Repräsentiermaschine irdischer Greuel, wir zwei werden uns sehr selten sehen!
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Siehe, da ist ja auch das gesamte Planetensystem mit der Sonne! Werde einmal gleich den nächsten besten in Augenschein nehmen. Da ist ja gleich die Venus!
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Wie schaust du also aus, du meine liebe Venus, die du mich auf der finstern Erde gar oft mit deinem herrlichen Lichte als Abend- oder Morgenstern ergötzt und erfreut hast? Laß dich nun endlich einmal in der Nähe betrachten! - Aha, hmm, hab' mir die Sache auch ganz anders vorgestellt! Ist auch eine Erde, fast wie die, die ich bewohnte, - nur gibt es keine so großen und zusammenhängenden Meere, dafür aber recht viele und für diesen Planeten sehr hohe Berge!
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Wie sieht es aber etwa mit der Vegetation aus und wie mit einer allfälligen Bevölkerung von aller Art lebenden Wesen? Ich bitte um ein bißchen mehr Vergrößerung des Planeten selbst oder um ein geistiges Mikroskop, sonst werde ich bei dieser Miniaturdarstellung dieses Planeten nicht viel mehr entdecken, als ich bisher entdeckt habe! Ist ja der ganze Planet nicht größer als ein mäßiges Hühnerei auf der Welt, - was sollte sich da wohl ausnehmen lassen? Wahrlich, bei diesem Maßstab müßten die Infusionstierchen hübsch klein ausfallen!
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Muß aber doch auch einmal auf die weiße Tafel sehen, vielleicht steht schon etwas oben? Schau, auf dieser Seite sehe ich nichts! Das ist gut, denn ich muß offen gestehen, daß ich vor dieser Tafel einen sonderlichen Respekt habe! Muß sie aber doch auch von vorne besehen, vielleicht steht dort etwas? Ah, das ist vorderhand noch besser; denn da steht auch noch nichts darauf! Daher nun nur wieder zu meinem Planetensystem!
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Da ist ja schon die Venus wieder, aber noch um kein Haar größer. Also habe ich auch bei dir, du mein schönster Stern, nichts mehr zu tun, so du dich nicht vergrößern willst! Schiebe dich daher nur weiter!
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Aha, da kommt der kleine Merkur, ein ganz possierliches Weltchen von der Größe einer Nuß! Scheint auch kein Meer zu haben, dafür aber desto mehr Berge - vorausgesetzt, daß man diese einen halben Stecknadelkopf großen Unebenheiten auch mit dem Ehrentitel ,Berge` bezeichnen kann! Mein lieber Merkur, auch wir sind miteinander schon fertig; nur fort mit dir!
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Was ist denn das für ein kupfriger Kerl von einem Planeten? Das wird doch etwa nicht zum zweiten Male die Erde sein? Nein, nein, die ist es nicht! Oh, wir haben dich schon, du feuriger Held; du bist ja der Mars! Na, hab' mir auf der Erde von dir auch eine ganz andere Vorstellung gemacht! Ich habe mir immer gedacht, daß du ein sehr unruhiger und stürmischer Patron sein wirst. Aber wie ich's nun aus deiner sehr flachen, mit wenigen Bergen besetzten Oberfläche erschaue, so scheinst du gerade das Gegenteil von dem zu sein, was ich von dir gedacht habe. Näheres kann ich auch auf dir nicht entdecken, daher schiebe auch du dich weiter!
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Da sehe ich bei sieben kleine Kügelchen von - sicher auch Planeten? Nur weiter mit euch, ihr habt schon gar nichts für mich!
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Da dreht sich schon der Planeten Großmogul Jupiter vor mein Gesicht her! Wahrlich, ein schöner Brocken! Vier Trabanten auch noch um ihn, das gibt aus! - Wie sieht es denn auf dir aus? Sapprament, da gibt es ja ganz entsetzlich viel Wasser! Bloß am Äquator herum bedeutende Inseln, sonst aber pur Wasser! Berge gibt es auch hier und da; aber hoch sind sie gerade nicht! Wie sieht es denn aber mit der Vegetation aus, wie mit lebenden Wesen? Dieser Planet ist zwar sichtlich um einige tausend Male größer als die vorigen, aber von einer Vegetation kann ich auch da nichts ausnehmen. Ich merke es wohl, daß die Flächen so gewisserart etwas rauhlich aussehen; aber was das ist, - dazu gehören ganz andere Augen.
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Dort sehe ich auch den Saturn, den Uran und noch einen sehr großen Planeten ganz im Hintergrunde mit - ja, ja, richtig, mit 10 Monden, darunter drei bedeutend groß, und neben ihnen einige kleinere! Das werden etwa doch nicht Monde von Monden sein? - Kometen sehe ich im Hintergrunde nun auch eine schwere Menge!
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Es ist wirklich schön, ja erhaben schön ist es. Aber wenn man auf diesen guten Planeten nichts anderes entdecken kann als nur höchstens Meere und größere Gebirge, da gewähren sie sage für die ganze Ewigkeit verzweifelt wenig Vergnügen. Ich bin nun schon fertig; in diesem Maßstabe werden wir für die Zukunft sehr wenig miteinander zu tun bekommen!
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Dort in der Mitte ist wohl noch die Sonne! Freilich ein ganz unbändig großer Klumpen. Aber was nützt das, so ihr Maßstab zu ihrem wirklichen Größenverhältnisse sich gerade so verhält wie ein Sandkörnchen zur ganzen Erde, wo sich dann auch nichts ausnehmen läßt? Also ist auch mit dir, du liebe Sonne, nichts für mich; daher lebe auch du recht wohl und gesund!
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Jetzt wäre ich aber auch schon fertig mit der Betrachtung der außerordentlichen himmlischen Kunstraritäten, die hier diesen nun meinigen Saal zieren. Was nun? Auf der Tafel steht nichts; von den Planeten ist auch nichts Weiteres abzulesen und zu besichtigen. Den saubern Erdglobus möchte ich lieber draußen als drinnen haben. Also Frage: Was nun? Zum Herrn hinübergehen? Würde sich nun geschwinde auch nicht schicken!
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Hm, hm, hm - ist doch recht fatal, wenn man sich als seligster Geist im Himmel knapp neben dem Herrn aller Herrlichkeit ein bißchen langweilen muß! Hat sicher auch sein Gutes; aber Langeweile bleibt Langeweile, ob im Himmel oder auf der Erde.
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Auf der Erde vertröstet man sich am Ende, wenn sozusagen alle Stricke reißen, mit dem lieben Tode, der jedem Liede - ob lustigen oder traurigen Inhaltes - ein Ende macht, wenigstens für die Erde. Aber hier, wo freilich - dem Herrn ewig Dank darum! - dem Leben kein Tod mehr folgt, nimmt alles sogleich einen ewigen Charakter an. Und man kommt da gar so leicht in die Versuchung zu glauben, daß so ein Zustand ewig gleichfort andauern wird. Dieser Umstand macht dann jede stark einförmige Erscheinung wenigstens um tausendmal langweiliger als auf der Erde, wo jedem Ding ein Ende gesetzt ist.
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Was also soll ich nun tun? Ist auf der Tafel noch nichts zu ersehen? Nein, noch immer nichts! Gar zu nötig wird es dem Herrn sicher nicht sein, sich meiner zu bedienen, sonst müßte ich ja doch schon etwas zu tun bekommen haben!
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Hm, hmmmm! Es wird einem schön langweilig hier im Himmel! Werde ich mich so ewig in diesem himmlischen Kunstmuseum aufhalten müssen? O sapprament, das wird eine schöne, ganz unvergleichliche Langweile abgeben!"

Fußnoten