Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 133 -
Martins Gedanken über die Allgegenwart Gottes
Martin macht bei dieser Erklärung überaus große Augen und geht darob sehr in sich. Nach einer Weile fängt er an, so ganz bei sich zu stammeln und spricht wie halblaut: ,,Hm, - bin noch weit zurück! O Tiefe, Tiefe - große, ungeheuere Tiefe, - wann werde ich deinen Grund begreifen! Ja, ja, so ist es: Gott ist allgegenwärtig! Wie kann Er das sein? Wie ist Seine Allgegenwart möglich, so Er als Ein- und Derselbe hier ist und wirkt und spricht, und ich sehe Seine Gestalt wie die eines Menschen?!
2
Ja, ja, die Sonne in tausend und abermals tausend Spiegeln ist dennoch eine und dieselbe Sonne, und es gibt nicht eine zweite Sonne. Eine Sonne leuchtet aus allen Spiegeln und eine nur und dieselbe aus Trillionen Tautropfen. Eine aus Trillionen Augen und wirkt nach der Größe des sie aufnehmenden Spiegels, des Tropfens, des Auges! Es ist wunderbar merkwürdig, und doch ist es so und kann nicht anders sein!
3
Wie aber der Herr auf eine ähnliche Art auch allenthalben gegenwärtig sein kann, das ist freilich endlos schwerer zu begreifen! Ist Er denn auch eine Sonne? Wo aber ist diese Sonne? Ich sah nur den Herrn, den Gottmenschen Jesus sah und sprach ich. Aber eine Sonne hier, außer auf der ich nun wandle, sah ich noch nicht!
4
Es ist hier wohl alles Licht über Licht, - aber ich weiß nicht, woher das Licht kommt! Sicher kommt es vom Herrn; aber der Herr Selbst strahlt nicht! Er ist hier ohne Glanz, einfacher als unsereiner! Sein allmächtiger Wille wohl wird es sein, der Sein ewiges ,Es werde Licht!` ausspricht in ununterbrochener Tat, geistig wie naturmäßig! O Gott, o Gott, wer faßt Deine endlose Tiefe?
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Ja, jetzt sehe ich es zum ersten Male klar ein, daß alle meine Weisheit eine barste Null ist, ein unbestimmter leerer Kreis mit vielen Unebenheiten, in dem kein Zentrum gegeben ist! O Herr, wann werde ich begreifen, was Du bist?!"
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Nach diesen Worten verstummt Martin und versenkt sich in große und tiefe Gedanken.