Von der Hölle bis zum Himmel: Die Jenseitige Führung des Robert Blum
Band 1
- Kapitel 76 -
Der aufrichtige Stiefelputzer. Die unwillkommene Mierl. Des Pathetikus große Seelenwäsche. Der gekränkte Hochmutsgeist verläßt die himmlische Gesellschaft
Tritt darauf zum Pathetikus der schon bekannte Franz, der weiland auf der Welt sein treuer Stiefelputzer war, und sagt: ,,Mir san hier wohl alle gleich, aber i sog zu Ihne dennoch Euer Gnaden: Hörn's, Sö san da akrad no so, wia's af der Welt woarn. Und das kummt mir holt a so vor, als wann's nit recht war, verstängen's mi? Af der Welt woarn's freili a recht a großer Herr und woarn dazu no sakrisch reich, zu dem Ihne freilich ihre Gnädige z'meist verholfen hot. Aber mit oll dem ist's hietzt goar. Denn wir san do in der Geisterwelt, verstängen's mi? Und do muaß a jeder schön demütig sein, sonst gibt's spanische Mucken und an Luxemburger Spargl! Der guate Herr do mant's guat mit uns und hot uns a bißl a Licht gmocht. Und do moan i holt, das soll'n wir nit so leicht abischlucken. Gängen's nur mit uns, es wird Ihner Schaden nit sein! Und do schaun's her, Ihnre liebe Mierl is a do! Wißn's, die Sö halt so neben Ihrer Gnädigen ghobt hobn, verstängen's mi!? Und wo Ihre Mierl is, do sollten Sö a nit fehlen! Woas moanen's dazu?"
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Spricht der Pathetikus ganz indigniert: ,,O du verfluchte Hauptwäsche! Das Fegefeuer scheint schon da zu sein, und so dürfte die Hölle auch nicht weit weg sein. Das ist aber ja doch rein zum Teufels werden! Jetzt ist das Luder von einer Mierl auch hier und mein gottseliges Weib dazu! No, die Sache wird sich machen! Ist mein Weib doch ein paar Jahrln vor mir in die Ewigkeit gegangen. Und ich glaubte, weil sie in ihrer letzten Zeit gar so fromm geseufzt hat und so selig in dem Herrn entschlief, daß sie schon längst auf einer Himmelswolke herumschwebt! Aber nein, sie ist hier, und das noch hundertmal elender als auf der Welt knapp vor ihrem Tode! Und jetzt kommt zum Überfluß auch noch mein Ludersmensch hinzu, die ein Maul wie ein Schwert hat. Na, das ginge einem noch ab, mit so einer Gesellschaft zu jenem Mann hinzugehen, der mir schon ehedem unzweideutig zu verstehen gab, daß ich noch sehr gedemütigt werden soll! Aber ich rieche den Braten und werde mich hüten, hinzuwallen vor den Magier und seine verklärte Lerchenfelderin! Muß man aber in dieser Sauwelt mit allen Verdrießlichkeiten zusammenkommen! O Kruzifix Donnerwetter! Wenn das nicht Fatalitäten sind, so weiß ich nicht mehr, was man noch so nennen sollte! Vielleicht kommen noch meine anderen zeitweiligen Amoretteln und allerlei Gruppierungen, die ich mit ihnen per Jux manchmal machte, zum Vorschein?"
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Solches redete der Pathetikus in sich hinein, aber es vernahmen die Umstehenden auch seine Worte. Und sein Weib trat hervor und sagte sanft zu ihm: ,,Johann, ich wußte es ja auf der Welt, wie dein Leben beschaffen war. Das war auch der Grund der Disharmonie, die zwischen uns beiden in der letzten Zeit obwaltete. Aber ich habe dir dennoch alles vergeben! Mache daher auch du hier vor Gott alles gut an mir, deinem irdischen Weib, das dir aus purer Liebe alles, sogar die Liebe ihres Vaters geopfert hat! Fürchte mich nicht, denn ich werde dir keine Vorwürfe mehr machen. Folge aber nun auch Dem, dem allein zu folgen du auf der Welt stets vorgabst! Wie oft hast du mich des altaristokratischen Hochmutes beschuldigt, aber hier im Reiche der Demütigung bist du hundertmal hochmütiger als ich und meine Angehörigen! Wie kommt denn das?"
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Der Pathetikus Johann stutzt, murrt in sich hinein und sagt nichts auf diese Anrede seines Weibes.
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Da tritt aber die Mierl hervor und sagt zu Emma: ,,I bitt Euer Gnodn tausendmol um Verzeihung, doß i Ihnern Mann ghobt hon! I bin sonst alleweil a guats und bravs Diandl gwest. Aber beim Sperl draußt hob i amol Ihnern Herrn kennengelernt, wo er mir goar so zugsetzt hot und hot mir af Tod und Leben 's Heiraten versprochen; und do han i holt gmoant, 's kinnt vielleicht do mögli sein! Aber der Sausakra hot mi von an Johr zum andern bei der Nosen herumzogen und vom Heiraten woar ka Red mehr. Aber do hob i nix gwußt, daß er verheirat woar! Schaun's, dos hob i erst hietzt ghört! Aber hietzt gfreuen's Ihne a, wia i dem Sausakra mei Manung sogn werd; na, der sull af seine betrogne Annamierl denken!"
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Darauf wendet sich die Mierl zum Pathetikus und spricht: ,,No, Sö Sakra von an Wosserfiaker und pensionierter Fourierschütz oder wos Sö woarn! Was moanen's denn, wer Sö san? Ihnern Gnädigen kunnten's schon Antwort gebn, de Sö af der Welt so damisch angschmiert hobn? Redn's hietzt, wann's a Kuraschi hobn, Sö damischer Sausakra Sö! Wissen's, wos Sö mir olles gsogt hobn, daß Sö a lediger Herr san, und wos für a Menge Geld Sö hättn! Wann Sö schon so a großer Herr warn, wie Sö mi anglogn hobn, mit so a großer Ehr in Ihnern Leib, do wärn Sö doch unmögli so a damischer Saukerl gwest! Wissen's, wann i mi nit hellicht schamen miaßt, i soget Ihnerer gnädigen Frau olles, wos Sö mit mir triebn hobn! Na warten's no a bißl, i werd Ihnerer gnädigen Frau schon mehr sogn! Denn hietzt kriag i erst a rechte Gift af Sö, weil i woaß, doß Sö so an ehrsams, guats Weiberl ghobt hobn!"
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Max Olaf, solches vernehmend, tritt zum Pathetikus hin, unterbricht die Mierl und spricht: ,,Na, lieber Freund, da kommen ja recht löbliche Histörchen über Ihren irdischen Lebenswandel zum Vorschein! Wahrlich, davon habe ich von Ihnen nie etwas vernommen. Ja, jetzt verstehe ich so manches, was ich sonst nie verstanden hätte. Also solche Treue und Liebe erwiesen Sie Ihrem guten Weib? O Sie Schweinepelz von einem Ehrenmann! Ja, nun weiß ich, warum Sie jene Lerchenfelderin so scheuen. Sie wird vielleicht wohl auch einige Male teil an Ihren sauberen Seitensprüngen genommen haben? Und es wird Ihnen daher hier gar nicht angenehm sein, sich mit mir dorthin zu begeben, wo man Sie etwas besser zu kennen scheint, als ich Sie je gekannt habe! Freund, wenn ihre ehemännischen Aktien also stehen und Sie dabei doch noch als ein Mann von Ehre dastehen wollen, so muß ich Sie nun wirklich bitten, sich nicht mit mir zu jenem reinsten und heiligsten Menschenfreunde hinzubegeben! Ich müßte eine verdammt geringe Achtung vor jenem Heiligen haben, so ich Ihm so einen Ausbund von einem Schweinepelz vorführte. Tun Sie nun, was Sie wollen; ich aber werde mich weislich hüten, mit Ihnen noch fernerhin Umgang zu pflegen!
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Arme Emma! Hätte ich das auf der Welt gewußt, welch einen Mann du hattest, da hätte ich dir sicher keine Ehrenbeleidigungsstrafe diktiert. Geht aber nun alle mit mir hin zu jenem großen und heiligen Menschenfreund! Dort soll euch alles vergolten werden, was ihr je von mir irgend an Unrecht erlitten habt! Aber dieser Schweinepelz soll gehen, wohin er will!"
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Spricht der Baron: ,,Nein, das hätte ich von diesem Menschen auch nie geglaubt! So bleibt es allzeit wahr: Was gemein ist, das bleibt gemein! Aber geschehen ist geschehen! Wir wollen ihn zwar nicht richten, aber für unsere Gesellschaft taugt er auch hier in dieser Welt nicht mehr! - (Sich zum Pathetikus wendend): Gehen Sie von uns und meiden Sie unsere Gesellschaft! Dort unter dem Proletariat ist für Sie der tauglichste Platz! Vielleicht finden Sie dort noch einige Göttinnen, die Ihnen bei Ihren sauberen Paschafesten den Nektar kredenzt haben!"
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Spricht der Pathetikus erbost: ,,Man wird sich derlei Anherrschungen wohl auch hier zu verbieten das Recht haben! Hat etwa nicht auch mein sauberes Weib alle Samstage Gesellschaften gegeben? Ob sie dabei Betrachtungen á la Ignatius von Loyola gemacht hat, weiß ich wahrlich nicht! Im übrigen hat mir hier niemand etwas zu gebieten, denn ich glaube, daß ich keines Vormunds mehr bedarf! Ich verbitte mir aber für die Folge alle undelikaten Bemerkungen, denn ich werde schon selbst wissen, was ich zu tun habe! Übrigens brauchen Sie mir gar nicht zu bedeuten, als wäre ich nun für Ihre hochadlige Gesellschaft zu gemein. Denn ich selbst danke nun Gott, solch eines Gesindels auf gute Art ledig geworden zu sein. Zum Glück sehe ich dort im Hintergrund mehrere gute Bekannte; mit denen werde ich sicher ehrenhafter daran sein, als mit euch, ihr eingebildetes, hochadeliges Lumpenpack!"
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Mit diesen Worten verläßt der Pathetikus diese Gesellschaft und begibt sich zu seinen Bekannten hin. Die Emma will ihn aufhalten, aber er stößt sie zurück und eilt davon.
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Max Olaf aber sagt: ,,Laßt ihn ziehen! Vielleicht zieht er zu seiner Erstehung - oder zu seinem Fall! Wir aber wollen den Herrn dort bitten, daß Er ihm Gnade für Recht möge angedeihen lassen! Und so begeben wir uns denn hin zu Ihm, dem Retter der Menschen!"