Das Grosse Evangelium Johannes: Band 8
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr und Seine Widersacher
- Kapitel 8 -
Die Bedenken der Pharisäer über den Herrn
Sagte nun wieder der erste Redner: ,,Lieber Freund Lazarus, du hast da ganz richtig geurteilt, so sich die Sache mit dem wundersamen Galiläer im vollsten Ernste also verhält, wie du sie uns aus deiner wohlerwiesenen Überzeugung mitgeteilt und getreu dargestellt hast, laut der wir auch der vorwiegenden Meinung sind, daß sich diese Sache auch also verhalten wird. Aber bei einer so endlos hochwichtigen Sache ist von unserer Seite als Juden - dem Volke Gottes - sehr notwendig, eine starke Prüfung anzustellen und zuvor gar vieles wohl zu bedenken und zu überlegen, ob möglicherweise doch etwa irgend etwas in einem sehr verborgenen Hintergrunde stecken könnte, das am Ende der Sache doch ein anderes Gesicht geben könnte, als für was sie ein von den Wundereffekten gewisserart berauschter und im Gemüt und Verstande gefangengenommener Mensch von ihr sich vorstellte.
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Siehe, so ist mir, wie auch uns allen, ehedem draußen sehr aufgefallen, wie zuerst der junge, wohlberedte Mensch uns unsere Mäntel bloß durch sein Wort und durch seinen Willen abnahm in einem so schnellen Augenblick, daß wir uns dawider gar nicht versehen konnten und auch gar nicht wußten, wohin unsere Mäntel verschwunden waren. Weiter kamen die sieben, dem Aussehen nach Ägypter oder Araber; es kostete sie nur einen Wink, und drei grimmige Löwen waren zu unserem Entsetzen da! Siehe, das sind von Menschen hervorgebrachte Wunder, was sich nicht leugnen läßt. Wenn nun der junge Mensch, dem es an der Weisheit auch nicht gebricht, von sich aussagte: ,Ich bin Christus; meine Wundertat beweist euch das!`, - würdest du ihn dann wohl auch gleich als das annehmen, was er aussagt, daß er sei? Oder so einer jener sieben Männer ein gleiches von sich vorgäbe, würdest du ihm wohl auch den Glauben schenken? Haben, wie wir aus der Schrift lesen, nicht auch Moses wie die andern Propheten nach ihm große Wunder gewirkt und waren darum doch nicht Christus?!
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Nun wirkt der wundersame Galiläer auch große und jedermann höchst auffallende Wunder, hat dazu auch eine wahrlich höchst weise Rede und sagt, daß er Christus sei! Nun, daß er von sich das aussagt, was kein anderer Wundertäter von sich ausgesagt hat, das genügt noch nicht vollkommen als ein Beweis, daß er darum auch schon das wirklich ist, als was er sich vor den Menschen ausgibt! Wir nehmen es nun nach deinem Zeugnisse wohl an und glauben, daß sich die Sache also verhalten wird; aber darum kann es uns noch nicht benommen sein, die Sache nebstbei noch immer nach allen Richtungen hin zu prüfen. Finden wir dabei nirgends einen auch nur scheinbaren Widerspruch, so werden wir auch alsogleich das tun, was du uns wahrlich sehr weise und freundlich angeraten hast.
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Siehe, du kannst noch ganz andere und sonderheitliche Beweise haben, die wir nun noch nicht kennen, diese können dich zu einer tieferen und inneren Überzeugung geführt haben! Nun, solches mangelt uns offenbar aus leicht begreiflichen Gründen; denn wir selbst haben persönlich ihn, den berühmten Galiläer, nur etliche Male im Tempel gesehen und gehört und hörten nur von seinen Wundertaten aus anderer Menschen Munde vieles; aber selbst Augenzeugen waren wir eigentlich von nur sehr wenigem, das in der Heilung eines Gichtbrüchigen und jüngst in der eines Blindgeborenen bestand. Und das, Freund, genügt uns nun wahrlich um so weniger, als wir eben heute abend den jungen Menschen, der auch ein Galiläer zu sein scheint, und die sieben andern Männer auch Wunder wirken sahen und daraus wohl entnommen haben, daß andere Menschen auch Wunder zu wirken imstande sind.
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Was die weise Rede anbelangt, so sprach auch der junge Mensch höchst weise wie ein wahrer Prophet, und unsere Mäntel schützten uns nicht vor seinem Scharfblick; und so können wir bis jetzt noch immer sagen: Weder Wundertaten noch weise Reden und Lehren sind für uns genügende Beweise, daß darum der Galiläer schon im vollsten Wahrheitsernste der verheißene Messias sei, von dem es geschrieben steht, daß Er sei Jehova, der Herr Selbst.
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Auch du selbst gabst uns ehedem einen gar sonderbaren Beweis, wie ein Mensch auch durch seinen sehr geweckten Scharfsinn sogar die innersten Gedanken und geheimen Reden Wort für Wort wissen kann und vielleicht noch manches andere, was er aber einem Freunde, um niemand anderm ein Ärgernis zu geben, nur unter vier Augen sagen würde. Da aber sogar dir schon, als nur einem Menschen unseresgleichen, eine solche Fähigkeit innewohnt, die etwas sehr Wunderbares ist, warum sollen dem Galiläer nicht auch solche besonderen Fähigkeiten innewohnen, die jedem andern Menschen als ein offenbares Wunder vorkommen müssen, weil ihm die Wege zur Erlangung solcher besonderen Fähigkeiten gänzlich unbekannt sind und selbst die Menschen, die solche besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen, einem andern darin gar keinen Unterricht entweder geben oder geben wollen.
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Es gab einst Prophetenschulen, in die aber nur solche Menschen, und das schon als Jünglinge, aufgenommen wurden, die sich schon von der Geburt an durch gewisse besondere Eigenschaften bemerkbar gemacht hatten; vor allem soll dazu ein höchst sittlicher und, was die Fleischnatur des Menschen betrifft, auch höchst keuscher Charakter erforderlich gewesen sein.
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Nun, das sehen wir wohl ein, daß in einer sittlich ganz unverdorbenen Menschennatur sich ganz andere Fähigkeiten entwickeln können als in der kranken eines ganz gewöhnlichen, sinnlich unsittlichen Menschen; aber ein solcher hernach mit außerordentlichen Fähigkeiten begabter Mensch kann darum doch noch lange und eigentlich gar nie sagen, daß er vor anderen natürlich schwachen Menschen ein Gott sei.
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Ich selbst habe in meiner Jugendzeit einmal einen ganz einfachen Hirten gesehen, den seine Gefährten ihren König genannt haben. Dieser Mensch war sehr sittlich und fromm. Er hatte keinen Hirtenstab und brauchte nur zu wollen, und seine Herde folgte seinen Winken und seinem Worte und Willen. Ob er noch andere Dinge zu bewirken imstande war, weiß ich nicht; aber warum konnte er solche seine besondere Eigenschaft nicht zu einem Gemeingut auch der anderen Hirten machen?
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Darum bleibt es bei mir solange ein fester Satz, daß es auf der Welt immerhin einige besonders befähigte Menschen geben kann; aber man muß darum sehr auf der Hut sein, solch einen irgend besonders befähigten Menschen als einen in diese Welt aus den Himmeln gekommenen Gott anzusehen und anzuerkennen.
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Es hat ja unter den alten Propheten auch große und kleine gegeben, aber Gott war weder Moses noch Elias. Ich habe dir nun meine Meinung ganz klar ausgesprochen, und du kannst nun darüber nach deinem Gutdünken urteilen, wie du nur immer magst und kannst!"
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Sagte nun Lazarus in einem ganz freundlichen Ton: ,,Nach dem irdisch- menschlichen Verstande hast du ganz wahr und richtig gesprochen und konntest auch wohl füglich nicht anders urteilen und sprechen, weil dir, wie auch deinen Amtsgenossen, noch gar vieles mangelt, um den erhabensten Galiläer vollends als das anzuerkennen, was Er trotz deiner Zweifel und allervernünftigst scheinenden Einwendungen und Einwürfe dennoch ist.
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Glaubet es mir, daß ich mich auch nicht durch eine gewisse Wunderberauschtheit habe hinreißen lassen, den erhabensten Galiläer als den Messias anzuerkennen! Oh, da haben ganz andere Dinge mich dazu bestimmt!
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Ihr bewundert nun wohl auch den jungen Menschen, die sieben Ägypter und daneben sogar nun auch mich; aber ich sage es euch, daß ihr weder den jungen Menschen noch die sieben Ägypter, die noch ganz einfache und unverdorbene Menschen sind, wie es einst die Urväter auf der Erde waren, kennet und also auch nicht wisset, wie es mir möglich war, auf ein Haar genau zu wissen, was ihr allein untereinander geredet habt!"
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Sagte der erste Redner: ,,Nun, so erkläre uns das näher, und wir werden dann sehen, ob wir dir vollends im Glauben folgen können!"