Gottes Neue Bibel

Bischof Martin

Die Entwicklung einer Seele im Jenseits

- Kapitel 53 -

Der ärgerliche Bischof Martin. Borems scharfe Mahnung und Weggang. Der einsame Martin

Bischof Martin fängt auf diese sehr kräftige Rede sich stark hinter den Ohren zu kratzen an und spricht endlich wie für sich halblaut: ,,Da haben wir's, ich hab es ja gewußt, daß man sich auch hier im Himmel auf niemanden verlassen kann und darf! Der Herr hat mir hier schon gewisserart alle Schätze der Himmel aufgetan, und der führt nun eine Sprache mit mir, als sollte ich etwa schon im nächsten Augenblicke in der Hölle, Gott steh uns bei, stecken! Hübsche Vergeltung! Ich habe ihn sicher vor so ein bißchen höllischem Feuer gerettet. Dafür wird er nun bemüht sein, mich in diesen schönen Ort zu befördern. Ja, über eine solche Freundschaft steht wohl ewig nichts auf!
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(Etwas lauter zu Borem:) Mein lieber Freund, so schön nach und nach ziehst du ganz behutsam die Larve von deinem Gesicht und zeigst in klarerem Lichte, als was du zu mir gesandt wurdest. Recht, recht so, tue du nur nach deinem Auftrage, und ich werde den befolgen, den mir meine Vernunft auferlegt!
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Es ist wahr, ich hatte einen dummen und vielleicht auch wohl bösen Plan. Denn ich wollte im Ernste dem Herrn einen kleinen Trotz bieten, - aber bloß, um mich zu überzeugen, was da in einem solchen Falle mir begegnen würde. Aber du hast mich wirklich musterhaft durchschaut und bist mir schärfstens in den Weg getreten.
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Aber daß du mich darum schon für einen Teu(Gottstehunsbei) hältst und ganz reif für die Hölle, davon hat der Herr, der doch offenbar mehr sein wird als du, mir nichts gemeldet. Ich aber halte mich an den Herrn und nicht an dich! Daher werde ich auch tun, was der Herr mir befehlen wird: ich werde dich nur an der weißen Tafel hören, von der mir der Herr angedeutet hat, daß du mich ihren Gebrauch lehren wirst. In allen anderen Dingen aber werde ich dich hören, so ich es wollen werde, so wie bis jetzt.
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Mit deinen Drohungen aber bleibe nur hübsch fein zu Hause. Denn mit ihnen wirst du bei mir sehr wenig ausrichten, da ich mich vor gar nichts fürchte! Das kannst du daraus entnehmen, daß ich auch vor dem Herrn Selbst mir kein Blatt vor den Mund nehme und rede, wie ich fühle und wie mir die Zunge gewachsen ist. Ich aber gehe nun wieder in den Saal zurück. - Das kannst du auch tun, so du es willst; wenn nicht, so tue, was du willst!"
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Nach diesen Worten erhebt sich Bischof Martin völlig und begibt sich schnell in den Saal. Borem folgt ihm ganz freundlich.
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Als beide im Saale sich befinden, bemerkt Bischof Martin sogleich, daß die runde Tafel klein angeschrieben ist. Er geht eilends hinzu und versucht zu lesen, was dort geschrieben steht. Aber er vermag es nicht; denn er kennt diese Schrift nicht, die da aussieht wie Hieroglyphen. Darum fängt er sich von neuem an zu ärgern und spricht:
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(Bischof Martin:) ,,Können denn die Himmelsschreiber nicht auch eine solche Schrift schreiben, die unsereiner selbst lesen könnte, ohne darum einen Dolmetscher kommen lassen zu müssen? Denn jemandem in einer unbekannten Schrift schreiben, heißt geradesoviel, als mit einem Deutschen chinesisch reden zu wollen! Wozu das etwa gut sein wird oder kann?"
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Fällt ihm Borem ins Wort: ,,Freund, gerade dazu, wozu bei euch auf der Welt der ausschließliche dogmatisch-lateinische Ritus gut ist! Denn da versteht auch niemand etwas, außer er ist dieser heidnischen Zunge mächtig. Damit auf der Erde aber ja niemand verstehen solle, was da in dem sogenannten gottesdienstlichen lateinischen Ritus vorkommt, so er auch der lateinischen Zunge mächtig wäre, muß während der Messe mit Orgeln, Pauken und Posaunen ein unbändiger Lärm geschlagen werden. Dies, damit ja niemand etwas vernehme, was da alles gebetet oder geplärrt wird. Ansonsten aber diese Messe still gemurmelt wird, damit davon auch niemand etwas verstehe! Sage, ist das nicht auch unsinnig - und ist doch bischöflich!?
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Wie magst du dich nun als ein solchen Unsinn gewöhnter Mann darüber ärgern, so du auf den ersten Augenblick diese Schrift nicht lesen kannst? Siehe nur deutlicher und genauer auf die Tafel! Vielleicht entdeckst du darauf auch einige lateinische Brocken, mit den zwölf Himmelszeichen mystisch untermengt! Siehe, oben im Anfang lese ich wenigstens recht deutlich: ,Dies illa, dies irae!`"
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Bischof Martin beschaut die Tafel nun genauer, erschaut dasselbe und fragt, was das bedeute.
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Borem aber spricht: ,,Bist doch ein Lateiner; wirst dir's wohl übersetzen können! Lies nur weiter, es stehen schon noch mehr solcher Brocken da oben! Wenn du fertig bist, dann komme und frage!"
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Bischof Martin heftet nun sein Gesicht intensiver auf die Tafel und ersieht die Worte: ,Requiescant in pace, et lux perpetua luceat eis!`, und wieder weiter: ,Requiem aeternam dona eis, domine!` und wieder weiter: ,Memento, homo, quia pulvis es et in pulverem reverteris` und noch eine Menge dergleichen höchst unsinniger Brocken mehr. Nachdem er alle durchgelesen, wendet er sich an den Borem wieder und fragt ihn sichtlich aufgeregt:
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(Bischof Martin:) ,,Nun, was soll's da mit diesem Zeug? Was bedeutet das? Warum steht es hier? Soll das etwa gar eine Art Stichelei auf meine irdische Würde sein, die ich getragen habe?"
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Spricht Borem: ,,O nein, Freund, das nicht im geringsten! Das alles steht bloß darum da, um dir zu zeigen, wieviel Narrheit noch in dir steckt. Deshalb stehst du auch noch in deiner bald nach deinem Tode mit dem Bischofspallium vertauschten Bauernkleidung da, von der dir aber die Oberjacke mangelt, weil du sie freiwillig mir gespendet hast, da ich nackt im Hause des Herrn mich befand. Du weißt, bei welcher Gelegenheit! Damit dir aber auch diese nicht fehle, kannst du sie wieder zurücknehmen. Siehe, dort unter der Tafel liegt sie wohlgereinigt und ordnungsmäßig zusammengelegt. Nimm sie und ziehe sie wieder an, auf daß es dir leichter wird, die Fülle deiner Torheiten einzusehen!
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Hat der Herr dir auch die endlose Gnade erwiesen und dir das Gift der Bosheit genommen, so blieb dir aber noch die große Torheit. Wenn sie von dir recht genährt wird, kann sie in die barste Bosheit übergehen und dich stürzen in ein gräßliches Gericht. Denn wisse: Solange du im Geiste nicht völlig wiedergeboren bist, bist du vor der Hölle nicht im geringsten sicher! Damit du aber solcher Kalamität entgehen möchtest, soll dir hier alle deine große Torheit gezeigt werden, an der du noch überstark hängst und von der der Herr Selbst dich nicht befreien möchte, ohne dich zu richten."
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Spricht der Bischof Martin etwas nachdenklich: ,,Nun, wenn so, da ziehe ich pro primo meine Jacke wieder an, damit ich nicht aussehe wie ein Hausknecht, sondern wenigstens so gut und ehrlich wie ein Bauer. Und pro secundo zeige, du nun schon überweiser himmlischer Buchhändler, meine vermeintlichen Torheiten, die ich von der Schrift dieser Tafel erkennen soll. Aber ich kann sie darum wahrlich nicht erkennen, weil alle diese Sätze sicher für jedermann ernst und zugleich sehr weise sind, indem sie alle von so erhaben weisen Kirchenvätern herrühren, daß wir beide deren Schuhriemen aufzulösen noch lange nicht wert sind - und wahrscheinlich auch ewig nie sein werden!"
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Spricht Borem: ,,Nun gut, so höre! Wo und was ist denn der Tag des Zornes, des Gerichts? Wer wird da zürnen und wer richten? Meinst du, Gott ist ein Gott des Zornes und ein Gott des Gerichtes? O nein! Siehe, Gott ist die reinste und höchste Liebe Selbst, der von Sich Selbst aussagte: ,Ich komme nicht, zu richten die Weit, sondern selig zu machen jeden, der an Mich glaubt, und der Mich liebt!`
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Wohl spricht der Herr von einer Erweckung am jüngsten Tage, der jedoch bei jedem gleich nach seines Leibes Tode anfängt. Aber von einem Gerichte spricht Er nur also: ,Jeder aber hat in sich schon, das ihn richten wird, nämlich Mein Wort!` Wenn aber so das Wort des Herrn lautet, wo ist dann dein ominöser Dies irae, dies illa? Das hieße offenbar besser: ,O Tag meiner nackten Torheit und meiner grellen Bosheit!`"
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Spricht Bischof Martin: ,,So du diese Texte so gut in Anwendung bringen kannst und es nach deiner Meinung kein letztes allgemeines Gericht gibt: wie verstehst du hernach jene Texte, die eben, aus des Herrn Munde gehend, von der erschrecklichen Wiederkunft des Herrn als unerbittlichsten Richter die allerunzweideutigste Kunde geben? Wo der Herr die Vorzeichen schon an und für sich als überfürchterlich bezeichnet, als da sind große Trübsal, Teuerung, Hungersnot, Kriege, Volksaufstände, Erdbeben, Erscheinen des Zeichens des Menschensohnes am Firmamente, das Aufsteigen und Fallen des Antichrist, die Verfinsterung der Sonne und des Mondes und das Herabfallen aller Sterne vom Himmel. Und wo Er endlich die allerschrecklichste Vorbereitung zum jüngsten Gerichte und am Ende das erschrecklichste Gericht selbst beschreibt: wie die fluchwürdigsten Ketzer, Hurer und Ehebrecher zu allen - Gottstehunsbei werden fahren müssen unter Begleitung von Milliarden Blitzen, die aus dem Munde der Auserwählten und Engel Gottes als ein gerechter Fluch über all die zahllosen, gleich dir verdammlichsten Ketzer ausgehen werden?
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Sage mir nun, du übermütig weiser Buchhändler, wie erklärst du dieses? Bin ich da auch dumm, töricht und boshaft noch obendarauf, wenn ich diesen Worten Gottes glaube?"
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Spricht Borem: ,,Heuchler, wie lange wohl ist es, daß du Christus halbwegs für Gott hältst - bei der leisesten Versuchung aber wieder abfällst wie ein dürres Laub vom Baume! Ich sage dir, hättest du dein ganzes Erdenleben hindurch diesen Worten Christi auch nur den geringsten materiellen Glauben bezeigt, so stündest du hier schon lange in einem andern Gewande. Aber da du weder den äußern Buchstabensinn des Evangeliums und noch viel weniger den innern, geistigen Sinn gläubig und darnach tätig angenommen hast, so stehst du noch da als einer, der beim Anblick all dieser endlosen Wunder Gottes und beim Anhören von tausend weisesten Lehren aus dem Munde Gottes Selbst der alte, unverbesserliche Stock bleibt!
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Wer kennt sich denn aus bei dir, und wer kann und mag dich leiten? Denn so du einmal einen Glauben und irgendeine Demut zeigst, da bist du schon im nächsten Augenblicke ein Wesen, an dem statt des Glaubens höchstens eine gleisnerische Heuchelei und statt der Demut und Liebe der allerbarste Hochmut und Haß nur zu grell ersichtlich wird!
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Meinst du wohl, meine weiseste Lehre wird dir etwas nützen? O, ich kenne dich! Was hat dir des kleinen Mondweisen wirklich weiseste Lehre genützt? Siehe, du wurdest darob sogar in der sichtbaren Gegenwart des Herrn nur stets erboster, je weiser dir der Mondpriester Piramah entgegenkam. Gebe ich dir nun auch die gründlichste Belehrung auf deine deinen Stolz nährende Frage, so wirst du darob nicht besser, sondern nur erboster und schlechter.
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Darum sollst du von mir so lange keine Lehre und Weisung mehr bekommen, solange du so verbleiben wirst wie du jetzt bist! Damit ich dir aber von nun an keine Gelegenheit zum Ärger mehr gebe, so verlasse ich dich nun im Auftrage des Herrn. Du kannst von nun an frei machen, was du willst. Nur bedenke, daß dir von hier aus beide Wege, zum Himmel wie auch zur Hölle gleich offen stehen nebst der damit verbundenen Erklärung, was im Evangelium tatsächlich gesagt ist über die Erscheinungen der letzten Zeit!"
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Nach diesen Worten verschwindet Borem und Bischof Martin ist nun ganz allein, sich selbst vollkommen überlassen. Nun erst kommt es darauf an, was er tun wird, und wie er alle die weisen Lehren bei und in sich behandeln wird.
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Bischof Martin ruft zwar nun ganz gewaltig nach Borem, aber dieser meldet sich nimmer. Er ruft auch nach dem Herrn und nach Petrus; aber auch von diesen meldet sich nirgends etwas. Er läuft nun wieder zur Merkurtüre und sieht diesen Planeten wohl, jedoch in einer großen Ferne. Er geht zur Tür, durch die er früher bei Nr. 1 die schöne Lämmerherde erschaut hatte, ersieht durch diese Türe aber nichts als jene ziemlich öde Wiese, auf der er diese schönste Herde zum erstenmal erschaut hatte, versehen mit dem Verzeichnisse ihrer Namen.
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Darauf läuft er auch alle andern Türen ab und ersieht wohl die Sonne, die andern Planeten und den Mond, alles das aber in großen Entfernungen wie naturmäßig von der Erde. Nur der Saal allein steht noch in seiner vorigen Gestalt da, in dessen Mitte die schon oft berührte Tafel und neben ihr der astronomische Mechanismus.
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Aber diese Gegenstände gefallen unserm Bischof Martin nicht. Daher begibt er sich nun zur Ausgangstür und will in das Haus des Herrn eilen, doch auch dieses ist unsichtbar geworden! Da er auch dieses nicht mehr erschaut und der kleine Garten um sein Haus sehr öde aussieht und ihn zu keinem anmutigen Spaziergange einlädt, begibt er sich ganz verzweifelt wieder in sein Haus, wo er alles gleich und unverändert antrifft.
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Da steht er eine Weile wie eine Säule vor der weißen Tafel, die auf einer Seite leer und auf der andern Seite noch mit den eben angeführten lateinischen Versen angeschrieben ist. Als ihm da die Zeit zu langweilig wird, bewegt er sich einige Schritte vorwärts gegen den astronomischen Mechanismus und fängt wieder die Erde zu betrachten an. Aber zu reden getraut er sich nicht, weil er jetzt zu merken anfängt, daß es mit ihm ganz sonderlich zu stehen beginnt.

Fußnoten